Österreichs Verteidigungsminister gibt sich in der Flüchtlingskrise so pragmatisch wie illusionslos. Mazedonien bot er auf der Münchner Sicherheitskonferenz Bundesheer-Unterstützung an.
In der Flüchtlingskrise klaffen Wunsch und Realität mitunter weit auseinander. Der Wunsch zumindest in Brüssel und einigen EU-Ländern wie Deutschland oder Österreich ist eine nachhaltige Lösung auf EU-Ebene. Die Realität beurteilt Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil indes so: "Bis zum Frühjahr oder Sommer werden wir das nicht haben, dieser Illusion brauchen wir uns gar nicht hingeben."
Und so sehen sich jene Staaten, die besonders vom Flüchtlingsansturm betroffen sind, zumindest interimistisch zu eigenen Lösungen gezwungen. Deutschland etwa forcierte in den vergangenen Tagen den Einsatz einer Nato-Flotille zwischen Griechenland und der Türkei. Dieser Einsatz einer kleineren Gruppe von Schiffen "ist ein wichtiger Schritt, es kann aber nur eine Aktion unter vielen sein", meinte Doskozil am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gegenüber Journalisten.
"Situation wie 2015 können wir uns nicht leisten"
Doch was bedeutet eigentlich "europäische Lösung"? Doskozil: "Für mich beinhaltet das schon die Hotspots an der Außengrenze, aber es braucht mit Sicherheit ein europäisches Asylrecht, kein nationales mehr." Und einen Verteilungsschlüssel der Flüchtlinge über Europa, denn sonst funktioniere die ganze Systematik nicht. Und letztlich, betont der Minister, natürlich auch eine Rückführung jener Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird: "Das kann dazu führen, dass man am Ende gar keine Grenzkontrollen braucht. Aber da sind noch so viele "Wenns" dazwischen, dass ich nicht glaube, dass das so greifbar nahe ist".
Deshalb überlegt man auch in Wien derzeit fieberhaft Zwischenlösungen, denn "eine Situation wie im vorigen Jahr können wir uns wohl nicht mehr leisten", meint Doskozil, der den Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 als Landespolizeidirektor im Burgenland hautnah miterlebt hatte. Spricht man mit ihm über das Thema, merkt man sofort: Es fehlt etwas. Es fehlen knallige Schlagwörter und markige Forderungen für die politische Arena. Stattdessen: Nüchterne Analyse der Situation und pragmatische Schlussfolgerungen daraus.
Bis zu 100 Soldaten nach Mazedonien
Etwa in Sachen Spielfeld: Dort beginnt kommende Woche das Grenzmanagement, und auch hier gibt sich Doskozil illusionslos: "Man muss Schritte weiter denken: wir können nicht glauben, dass wir hier in Österreich einfach ein stringentes Grenzmanagement einführen, registrieren und kontrollieren, und damit ist Problem gelöst." Denn das könnte leicht zu einem Rückstau in Slowenien führen und dann stehe man erst recht wieder vor der Frage: Was jetzt? Das Ziel der Regierung ist es daher auch, Kontingente von Deutschland bis hinunter nach Griechenland zu akkordieren.
Derzeit konzentriert man sich auf das nördlich von Griechenland gelegene Mazedonien. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) war am Freitag in Skopje, Doskozil sprach gleichzeitig in München mit dem mazedonischen Präsidenten und bot ihm den Einsatz von bis zu 100 Bundesheersoldaten an. Nicht im direkten Grenzeinsatz freilich, sondern zur Unterstützung im humanitären Bereich, in Sachen technische Hilfe und know-how-Transfer, wie Doskozil betont. Bereits kommende Woche sollen Experten nach Mazedonien geschickt werden, um den konkreten Bedarf zu erheben, die Entsendungt könne dann "relativ rasch" erfolgen. In der Folge sollen am Balkan Hotspots eingerichtet werden, um eine Lösung voranzutreiben, die man bei einer Änderung der Fluchtrouten leicht an anderer Stelle duplizieren könne: "Man kann die Flüchtlinge ja nicht von heute auf morgen wegzaubern."
Türkei als sicherer Drittstaat
Ein weiterer essenzieller Punkt, ohne den die ganzen Planungen keinen Sinn hätten: "Man wird die Türkei, bei aller Unterstützung, die man ihr zukommen lässt, als sicheren Drittstaat (nicht Herkunftsstaat, Anm.) definieren müssen", sagt Doskozil. Gleichzeitig gibt es Planungen, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern, etwa um nordafrikanische Länder wie Marokko, Tunesien oder Algerien.
Welche Hoffnungen setzt der Verteidigungsminister in die neue Nato-Mission im Mittelmeer? Auch hier ist kein überbordender Optimismus spürbar. Man hoffe natürlich, dass es funktioniere, und das würde sich dann wohl auch relativ bald zeigen: "Aber wenn wir das zu 100 Prozent glauben würden, dann würden wohl unsere Maßnahmen in Spielfeld und Mazedonien jetzt nicht setzen."