Hashim Thaçi wird Kosovos neuer Präsident

Hashim Thaçi
Hashim ThaçiAPA/AFP/ARMEND NIMANI
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Tränengas-Attacken im Parlament und wilde Krawalle in Pristina überschatteten am Freitag die Wahl von
Außenminister Hashim Thaci zu Kosovos Präsidenten:

Belgrad/Pristina. Steine prasselten, Molotowcocktails flogen: Draußen vor den Parlamentstoren in Kosovos Hauptstadt Pristina konnten selbst Regen und Wasserwerfer die Wut der vor dem Polizeikordon aufgezogenen Demonstranten kaum kühlen. Im Sitzungssaal ließen weiße Tränengas-Schwaden die Saaldiener routiniert die Gasmasken überstreifen: Trotz Kontrollen war es Abgeordneten der Opposition am Freitag mehrmals gelungen, mit Tränengas die Parlamentssitzung zur Wahl des neuen Staatschefs zu unterbrechen.

Erst im dritten Wahlgang gelang dem bisherigen Außenminister, Hashim Thaçi, am späten Abend mit 71 von 120 Stimmen die Präsidentenkür: Mit nur 82 Abgeordneten waren übrigens nur zwei mehr anwesend als das für die Gültigkeit der Wahl nötige Quorum vorsieht.
Milde lächelnd hatte Kosovos gewieftester Drahtzieher zuvor die Schmähungen seiner Kritiker ertragen. Der Chef der regierenden PDK arbeite „im Interesse Serbiens“, warf Donika Kadaj, Fraktionschefin der oppositionellen AAK, ihm vor. Fatmir Ljimaj, Chef der oppositionellen Nisma, warnte, dass die Wahl des umstrittenen Ex-Premiers zum Staatschef die Dauerkrise im Land vertiefen werde.

Warnung vor „Autokratie“

Thaçi wolle aus Kosovo ein „zweites Bosnien“ machen, warnte Albin Kurti, Gründer der radikalen Vetevendosje („Selbstbestimmung“) vor den Folgen der von der Opposition abgelehnten, aber von der Regierung mit Serbien vereinbarten Gründung eines Verbands der serbischen Kosovo-Gemeinden. Mit Verfassungsänderungen wolle Thaçi als Präsident den Kosovo in einen autoritären Staat verwandeln: „Die Verhinderung seiner Wahl verhindert die Autokratie.“

Ob als Kommandant der Untergrundarmee U?K, Unterhändler, Premier oder Chefdiplomat: Kaum ein anderer hat das turbulente Politparkett des Staatenneulings seit dem Kosovokrieg 1999 so geprägt wie Thaçi. Und dennoch scheiden sich an keinem anderen Würdenträger in dem an der Grenze zum Scheitern stehenden Land die Geister so sehr wie an dem Mann, der 2008 als Premier die serbische Ex-Provinz in die Unabhängigkeit führte.

Die Opposition sieht in ihm das Symbol für Kosovos korrupte Clanwirtschaft und der Verquickung von Politik und organisierter Kriminalität: Für sie wird mit dem machtbewussten PDK-Chef als Landesvater ein nimmersatter Bock zum Gärtner der kargen Staatsweiden gemacht. Seine Fans preisen dessen internationale Erfahrung und Verdienste: Schon bei den Friedensverhandlungen von Rambouillet 1999 und als erster Übergangspremier nach dem Krieg sei er an der Wiege des Staates gestanden.

Die serbische Minderheit steht ihm vor allem wegen der U?K-Verbrechen zu Ende des Kosovokriegs mit Skepsis gegenüber: Ein Untersuchungsbericht des Europarats warf ihm gar indirekte Verantwortung für mutmaßliche Organentnahme bei von der U?K verschleppten und getöteten Serben vor. Andererseits hatte er als Premier 2012 den von der EU verordneten Dialog mit Serbien begonnen: Auch wegen des von der Opposition kritisierten Normalisierungsabkommens mit Belgrad wird Thaçi trotz aller Defizite vom Westen als Stabilitätsgarant geschätzt und hofiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2016)

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