Machtkampf in Ankara: Justiz rüffelt Erdoğan

February 26 2016 Istanbul Turkiye Cumhuriyet Editor in Chief Can D�ndar and the daily s Ankara
February 26 2016 Istanbul Turkiye Cumhuriyet Editor in Chief Can D�ndar and the daily s Ankara(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Präsident verurteilte Urteil des Verfassungsgerichts zur Freilassung kritischer Journalisten. Intellektuelle warnen vor „Katastrophe“.

Istanbul. Recep Tayyip Erdoğan wusste genau, was auf ihn zukommen würde. „Jetzt wird es wohl hoch hergehen“, sagte der türkische Präsident, nachdem er das Urteil des Verfassungsgerichtes zur Freilassung von zwei regierungskritischen Journalisten verdammt hatte. Er erkenne das Urteil nicht an und werde sich auch nicht daran halten, erklärte Erdoğan.

Im Parlament brachen daraufhin Tumulte zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten aus. Und jetzt kam ein Rüffel vom Verfassungsgericht selbst: Jeder habe sich an die Urteile des höchsten Gerichts zu halten, stellte Gerichtspräsident Zühtü Arslan fest. In Ankara zeichnet sich ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Verfassungsgericht ab.

In seiner Kritik am Verfassungsgericht hat Erdoğan andere türkische Gerichte indirekt aufgerufen, sich nicht an die Weisungen der Richter in Ankara zu halten. Kritiker werfen dem Präsidenten deshalb vor, sich über grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates hinwegzusetzen. Eine Gruppe aus mehr als 60 Akademikern und Intellektuellen warnte in einer Erklärung, Erdoğan führe die Türkei in eine „Katastrophe“.

Anhänger des Präsidenten sehen die Schuld für den Streit dagegen bei den Verfassungsrichtern. Das Gericht habe seine Kompetenzen überschritten, sagte Justizminister Bekir Bozdağ. Nach dieser Sicht der Dinge hätte das Gericht lediglich über die Zulässigkeit der Untersuchungshaft für die Journalisten Can Dündar und Erdem Gül urteilen dürfen, denen seitens der Staatsanwaltschaft und Erdoğans wegen eines Berichts über illegale Waffenlieferungen an syrische Rebellen Landesverrat vorgeworfen wird.

„Wir tun nur unsere Arbeit“

Das Verfassungsgericht hatte aber nicht nur die Freilassung von Dündar und Gül angeordnet, sondern gleichzeitig festgestellt, die beiden Journalisten hätten nur ihre Arbeit als Berichterstatter getan.

Verfassungsgerichtspräsident Arslan betonte mit Blick auf diese Einwände, natürlich seien Urteile des Gerichts nicht über Kritik erhaben. Nur lasse sich das Gericht weder von Kritik noch von Lob beeinflussen. „Wir tun unsere Arbeit.“ Ob es den Bürgern gefalle oder nicht, sei unerheblich: „Urteile des Verfassungsgerichts sind für alle Personen und Institutionen bindend.“ In einem Rechtsstaat seien die Regeln für die Normalbürger und die Regierenden gleichermaßen verbindlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)

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