Frauen-Power bei Syrien-Verhandlungen

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Erstmals sind Frauen direkt in die Verhandlungsteams eingebunden und im Beirat in Genf vertreten. Die Frage, wann und wie Frauen sich beteiligen sollten, war jedoch umstritten.

Wien/Genf. Noch nie waren so viele Frauen an Friedensgesprächen für Syrien beteiligt wie bei den diesjährigen Verhandlungen in Genf. Bei den gescheiterten Gesprächen 2014 – damals unter der Leitung des UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi – spielten sie nur eine Nebenrolle. Die Stimmen der Frauen, die im März 2011 noch gemeinsam mit Männern gegen das Regime des syrischen Machthabers, Bashar al-Assad, auf die Straße gezogen sind, seien von „Männern mit Gewehren übertönt“ worden, schrieb damals die Frauenaktivistin Hibaaq Osman.

Heuer sitzen Frauen erstmals direkt am Verhandlungstisch, um über eine politische Lösung für Syrien zu beraten: Jeweils drei der 15 Mitglieder der Verhandlungsteams sind weiblich. Zu den Verhandlerinnen der Opposition gehören namhafte Dissidentinnen wie Suheir Atassi, Rechtsanwältin und Mitglied mehrerer Oppositionsbündnisse, die sich aktiv am Arabischen Frühling beteiligt hatte, und Basma Qadami, ehemaliges Mitglied des Syrischen Nationalrates.

Frauen sind heuer zudem in beratender Funktion vertreten. Zu den 34 Delegierten des Hohen Verhandlungsteams (HNC) gehören zwei Frauen, zusätzlich stehen dem HNC 20 bis 25 Ratgeberinnen zur Seite. Die Gruppe war im Dezember bei einem Treffen von mehr als 100 Regimegegnern in der saudischen Hauptstadt Riad entstanden. Erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen wird zudem ein Frauengremium den Sondergesandten bei Friedensverhandlungen beraten. Im Februar rief Staffan de Mistura den Syrian Women's Advisory Board ins Leben. Der von syrischen Frauenorganisationen gewählte Beirat setzt sich aus zwölf Repräsentantinnen der Zivilgesellschaft mit unterschiedlichen sozialen und ideologischen Hintergründen zusammen. Das Ziel sei, syrischen Frauen zu ermöglichen, ihre Bedenken, Ideen und Vorschläge für eine Friedenslösung in Syrien zu präsentieren.

Spätestens seit der Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit aus dem Jahr 2000 ist man sich zumindest in UN-Kreisen der Rolle von Frauen für Friedensprozesse bewusst. Studien ergeben, dass Friedensvereinbarungen, an denen Frauen mitwirken, länger halten. Zudem dürften Länder, in denen Frauen maßgeblich am politischen Prozess beteiligt sind, seltener Kriege anzetteln. „Frauen leisten eine wesentliche Arbeit, Gemeinschaften zusammenzuhalten“, sagt Michelle Barsa, Vizedirektorin des Instituts für Inklusive Sicherheit in London, der „Presse“. Mit der hohen Frauenbeteiligung bei den Gesprächen sei ein erster Schritt getan, meint sie. Jetzt bleibe abzuwarten, wie die Vorschläge der Verhandlerinnen angenommen und in die Schlusserklärung eingebaut würden. Jedenfalls hätten Frauen mit insgesamt sechs Vertreterinnen in den Verhandlungsteams noch nie so eine große politische Rolle gespielt.

„Frauen müssen Männer überlisten“

Den Grundstein für die Beteiligung der Frauen in Genf legte eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Syrien im Dezember. Dabei dürfte die Entscheidung, in welcher Form und wann sie an den Friedensverhandlungen teilnehmen sollten, für Diskussionen gesorgt haben. „Staffan war da sehr klar“, sagte ein UN-Beamter aus dem Team de Misturas der investigativen Plattform Passblue im Dezember, „für einen nachhaltigen Friedensprozess müssen Frauen vom ersten Tag an am Verhandlungstisch sitzen.“ Dabei dürfte sich der Sondergesandte Sorgen gemacht haben, wie die Frauen in der bisherigen Männerdomäne akzeptiert werden. So sei den Teilnehmerinnen in den Vorbereitungen geraten worden, ihre Emotion nicht zu zeigen. Der Schlüssel, um als Frau bei den Gesprächen zu punkten, sagte der UN-Mitarbeiter, sei, „Männer zu überlisten, wenige Fronten zu wählen und zwei bis drei Botschaften zu vermitteln“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2016)

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