Warum Wladimir Putin den Teilabzug seiner Truppen befohlen hat

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Russland will auch nach einem Ende der Präsidentschaft Assads in Syrien im Spiel bleiben.

Kairo/Moskau. Der Kreml drückt aufs Tempo. Keine 24 Stunden nach Wladimir Putins überraschender Ankündigung, den Großteil der russischen Truppen aus Syrien abzuziehen, starteten am Dienstag bereits die ersten SU-34 Kampfflugzeuge und Tu-154 Transportmaschinen zum Langstreckenflug zurück nach Russland. Nicht nur bei den Syrien-Delegationen in Genf, auch beim UN-Sicherheitsrat in New York sowie in Washington und den europäischen Hauptstädten rieb man sich verwundert die Augen.

„Die Entscheidung des russischen Präsidenten – das ist ein positiver Schritt. So etwas sehen wir gerne“, erklärte Angolas UN-Botschafter, Ismael Gaspar Martins, dessen Land momentan den Vorsitz beim Weltsicherheitsrat führt. UN-Syrien-Vermittler Staffan de Mistura sprach von einer „bedeutenden Entwicklung“, die die Suche nach einer politischen Lösung positiv beeinflussen könne. Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, erklärte, sollte Russlands Abzug umgesetzt werden, „erhöhte das den Druck auf das Regime von Präsident Assad, in Genf endlich ernsthaft über einen friedlichen politischen Übergang zu verhandeln“.

Entsprechend einsilbig reagierte die Führung in Damaskus. Präsident Bashar al-Assad habe mit Putin telefoniert und dem Truppenabzug zugestimmt, hieß es Stunden später gequält in einer Erklärung, die mit dem Satz endete: „Russland und Syrien kämpfen unverändert und gemeinsam gegen den Terrorismus.“

Ärger über Assad

Doch trotz dieser Harmonierhetorik knirscht es zwischen den beiden Verbündeten schon seit Längerem im Gebälk. Verwundert registrierte der Kreml die letzten Interviews des Diktators im Februar, in denen Assad vollmundig ankündigte, seine Armee werde nun das ganze Land „ohne Zögern“ zurückerobern. Dazu kam der Auftritt des syrischen Außenministers, Walid al-Muallim, in Genf, der die Zukunft Assads zur „rote Linie“ erklärte und jegliche Vereinbarungen über eine Präsidentenwahl kategorisch ablehnte.

Moskau dagegen hat sich längst mit einem absehbaren Ende der Assad-Ära arrangiert und weiß, dass der Diktator irgendwann in den 18 Übergangsmonaten das Feld räumen muss. Bereits 2012 war Putin bereit, wie der frühere UN-Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi kürzlich bestätigte, Assad zum Rücktritt zu drängen. Doch die UN-Vetomächte USA, Frankreich und Großbritannien winkten ab, weil sie glaubten, dessen Sturz stünde sowieso unmittelbar bevor. Drei Jahre später, im Dezember 2015, versuchte Putin es erneut und schickte einen hochrangigen General nach Damaskus. Er sollte den Diktator zum Rücktritt drängen, den Alawiten das Überleben ihres Regimes garantieren und von den syrischen Machthabern fordern, mit der moderaten Opposition „realistisch“ zu verhandeln – ein Ansinnen, das die Assad-Clique rundheraus ablehnte.

Militärpräsenz bleibt bestehen

Putin aber denkt bereits über die Assad-Zeit hinaus. Um Russlands Interessen zu wahren, braucht er vor allem eine Stabilisierung von Restsyrien im Westen des Landes sowie ein konstruktives Verhältnis zu einer möglichen Post-Assad-Führung. Seit sowjetischen Zeiten unterhält Russlands Marine in Tartus einen Stützpunkt, den einzigen im Mittelmeer. Mit der jüngsten Militäroffensive kam die Luftwaffenbasis Hmeimim nahe Latakia hinzu. Sie soll bestehen bleiben, geschützt durch modernste Luftabwehrraketen. „Unsere Militärpräsenz hat zum Ziel, den Waffenstillstand und das Ende der Kämpfe zu garantieren“, sagte Russlands UN-Botschafter, Witali Tschurkin, und fügte hinzu: „Unsere Diplomatie hat einen neuen Marschbefehl erhalten. Wir werden jetzt alle Anstrengungen unternehmen, um eine politische Lösung in Syrien zu erreichen.“

AUF EINEN BLICK

Russlands Luftwaffe begann am Dienstag mit der Rückverlegung erster Kampfflugzeuge und Transportmaschinen aus Syrien nach Russland. Am Montagabend hatte Kremlchef Wladimir Putin überraschend angekündigt, dass der Großteil der russischen Truppen aus Syrien abgezogen werden soll. Der russische Luftwaffenstützpunkt nahe Latakia soll aber bestehen bleiben, ebenso wie der Militärhafen von Tartus, Russlands einziger Marinestützpunkt im Mittelmeer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2016)

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