Obamas argentinischer Tango

U.S. President Barack Obama dances tango during a state dinner hosted by Argentina's President Mauricio Macri at the Centro Cultural Kirchner in Buenos Aires
U.S. President Barack Obama dances tango during a state dinner hosted by Argentina's President Mauricio Macri at the Centro Cultural Kirchner in Buenos AiresREUTERS
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Nach Kuba-Besuch suchte der US-Präsident die Annäherung an den neuen argentinischen Präsidenten. Als Goodwill-Geste verfügte er die Freigabe von Dokumenten.

Buenos Aires. Selbst beim Tango machte er keine ganz schlechte Figur. Nach dem wolkenverhangenen Kuba-Besuch genehmigte sich Barack Obama eine Reise in die „wunderschöne Stadt Buenos Aires“. Unter der Spätsommersonne rasten der US-Präsident und sein Tross durch die abgeriegelte Metropole. Obama und seine Familie gustierten Grillfleisch, tranken Mate-Tee und durften ihr Glück im Sechs-Achtel-Takt probieren.

Aber natürlich ging es auch um Politik. Obama kam, um das Sternenbanner in die Pampa zurückzubringen. Zum Unbehagen Washingtons hat Cristina Kirchner andere Freunde gefunden, in Moskau, Peking, Caracas und Teheran. Nun brachte der – auch für die USA überraschende – Wahlsieg Mauricio Macris die Chance auf eine Zeitenwende.

Macri ist Südamerikas erster postpopulistischer Präsident nach einer Dekade linker Herrscher, denen nun, am Ende des Rohstoffbooms, die Mittel ausgehen. „Macri hat mich sehr beeindruckt“, sagte Obama nach seinem einstündigen Treffen in der Casa Rosada, dem Regierungspalast in Buenos Aires. Obama lobte Macri für dessen Expressumbau des Wirtschaftssystems und den in dem Abkommen mit den Altgläubigern manifestierten Willen der Rückkehr in die Weltwirtschaft.

Obama weiß, dass Macri Hilfe braucht. Dessen Koalition Cambiemos besetzt nur 90 der 251 Kongresssitze. Die US-Amerikaner wissen, dass der Liberale einen ausgezehrten, ausgeplünderten und von Kirchner mit militanten Anhängern durchsetzten Staat übernahm. In seinem Bestreben, die Inflation (mehr als 30 Prozent) und das Budgetdefizit (sieben Prozent) zu senken, muss Macri extrem vorsichtig agieren. Ein rigoroser Sparkurs könnte, befeuert von den Kirchneristen, soziale Proteste heraufbeschwören. Der Quasi-Totalausfall des größten Industriekunden Brasilien erschwert Macris Mission zusätzlich. Mehr als 100.000 Beschäftigte verloren ihre Jobs in den ersten 100 Tagen Macris.

Argentinien braucht dringend Investitionen, und darum begleiteten 400 US-Bosse den Präsidenten nach Argentinien. Obamas Schulterklopfen soll Investoren Mut machen – Ausländern und jenen reichen Argentiniern, die 400 Milliarden Dollar außerhalb des Finanzsystems gebunkert haben.

Am Donnerstag flogen Obama und seine Entourage nach Patagonien, nach Bariloche. Der US-Präsident wich so den Gedenkfeiern zum 40. Jahrestag des Militärputschs aus, des größten Traumas der argentinischen Geschichte. Der schmutzige Krieg gegen die Subversion mit 30.000 Toten fand mit deutlichem Zuspruch der US-Regierung von Gerald Ford statt. Dessen Nachfolger, Jimmy Carter, hat Druck auf die Militärs gemacht, um Folter und Massenmord zu beenden. Als Geste guten Willens verfügte Obama, Tausende Geheimdienstdokumente freizugeben, die die immer noch lückenhafte rechtliche Aufarbeitung erleichtern können.

Proteste der Mütter der Plaza de Mayo

Doch damit konnte Obama die Kritiker seines Besuchs nicht ruhigstellen. Die Mütter der Plaza de Mayo protestierten heftig, und die Großmütter der bis zu 600 geraubten Kinder der Militärs verweigerten ein Treffen. Schließlich besuchte der US-Präsident den abgelegenen Parque de la Memoria, um einen diplomatischen Drahtseilakt zu vollführen, der ihm deutlich schwerer fiel als der Tango-Versuch am Abend zuvor.

„Wir waren nicht auf der Höhe unserer Ideale“, sagte der US-Präsident, der die Tapferkeit der Mütter und Großmütter der Opfer pries, aber auch die Arbeit jener US-Journalisten und Diplomaten, die das Unrecht dokumentierten. Den intensivsten Moment der Visite konnten allein die Fotografen festhalten: Von einer Terrasse aus streute Obama weiße Blumen in den Río de la Plata, in dessen Gewässer die Militärs seinerzeit ihre betäubten Opfer geworfen hatten – mit dem Wissen des damaligen Außenministers Henry Kissinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2016)

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