"Kontrollierte Explosionen" und Schüsse bei Razzia in Brüssel

Razzia in Schaerbeek.
Razzia in Schaerbeek.APA/AFP/PATRIK STOLLARZ
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Ein Verdächtiger wurde bei dem Anti-Terror-Einsatz verletzt und festgenommen. Kurz darauf wurde eine Metro-Station evakuiert.

Bei einer groß angelegten Polizeiaktion im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek sind am Freitag mehrere Explosionen und Schüsse zu hören gewesen. Die Umgebung wurde von den Sicherheitskräften abgesperrt, eine Straßenbahn wurde evakuiert, meldete das belgische Staatsfernsehen RTBF. Auch ein Entminungsroboter war im Einsatz. Ein Verdächtiger wurde bei dem Einsatz verletzt und festgenommen.

Bilder zeigten einen Mann, der offenbar angeschossen wurde und neben den Straßenbahngleisen lag. Er hatte ein verdächtiges Gepäckstück bei sich.

Kurz nach der Razzia ist auch die Metrostation Arts-Loi zwischen der Innenstadt und dem Europaviertel evakuiert worden. Dies berichteten die Zeitungen "Le Soir" sowie "La Derniere Heure" übereinstimmend unter Verweis auf Journalisten vor Ort. Arts-Loi befindet sich nur einen Stop von Maelbeek entfernt, wo am Dienstag einen Bombe 20 Menschen tötete.

Zu der vorangegangenen Festnahme in Schaerbeek sagte Bürgermeister, Bernard Clerfayt, diese stehe im Zusammenhang mit den Brüssel-Anschlägen. Zuvor war spekuliert worden, dass die Razzia in Zusammenhang mit den gestern in Frankreich vereitelten Anschlagsplänen steht.

Bei dem Großeinsatz in Schaerbeek waren zu Beginn zwei Explosionen zu hören, um 14.30 Uhr gab es eine weitere Detonation. Die Explosionen seien "kontrolliert" gewesen, sagte Clerfayt.

Festnahmewelle

Die Polizei hatte bereits zuvor einem Zeitungsbericht zufolge den mutmaßlichen zweiten Attentäter des Anschlags auf die Brüsseler Metro festgenommen. Ein Polizist habe den Mann, der auf Bildern einer Überwachungskameras zu sehen sein soll, wiedererkannt, berichtete die Zeitung "De Standaard" am Freitag. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Festnahme nicht. Die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigen einen Mann neben Khalid El Bakraoui, der den Selbstmordanschlag auf die Metro verübt haben soll. El Bakraouis Bruder Ibrahim hat sich den Ermittlungen zufolge am Brüsseler Flughafen in die Luft gesprengt.

Der Verdächtige könnte eine der Personen sein, die die Polizei Donnerstag und Freitagfrüh bei mehreren Razzien in der belgischen Hauptstadt festgenommen hat. Die Staatsanwaltschaft berichtete am späten Donnerstagabend zunächst, es seien sechs Personen in Gewahrsam genommen worden. Im Laufe des Freitags solle entschieden werden, ob gegen die Verdächtigen Haftbefehle erlassen würden. Erst im Laufe des Tages wollten sich die Ermittler zu Details äußern - auch über die Identität der Verdächtigen.

Sie seien in den Vierteln Schaerbeek im Norden, also dort, wo es nun zu der Explosion kam, Jette im Westen sowie im Stadtzentrum gestellt worden. Die Fahnder nahmen drei Verdächtige "direkt vor unserer Tür" fest, sagte der Staatsanwalt. Sie seien in einem Auto in unmittelbarer Nähe des Gebäudes der Staatsanwaltschaft im Stadtzentrum unterwegs gewesen.

Berichte über weitere Festnahme in Forest

Zudem berichtet der Radiosender RTBF, dass Freitagfrüh ein weiterer Verdächtiger bei einer Razzia in der Gemeinde Forest festgenommen worden sei. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst ebenfalls nicht. In Forest war der 35-jährige Algerier Mohamed Belkaid in der vergangenen Woche bei einer Polizeiaktion erschossen worden. Von Forest aus waren die Polizisten auch auf die Spur des inzwischen inhaftierten Salah Abdeslam gekommen - er soll an den Pariser Attentaten vom vergangenen November beteiligt gewesen sein.

Bei den Anschlägen in Brüssel waren am Dienstag 31 Menschen getötet und 300 weitere verletzt worden. Drei der Attentäter, die sich am Flughafen und in einer U-Bahnstation in die Luft gesprengt hatten, sind mittlerweile identifiziert. Nach mindestens zwei weiteren Tätern, die auf Überwachungskameras zu sehen waren, wurde noch gefahndet.

Polizei hielt Bericht drei Monate zurück

Es gibt enge Verbindungen zwischen den Anschlägen von Brüssel und den Attentaten von Paris, bei denen am 13. November 130 Menschen ums Leben kamen. Es dürfte sich bei den Attentätern um Mitglieder eines einzigen Terrornetzwerks handeln. Die Zeitung "La Dernière Heure" berichtet, dass der Polizei der Unterschlupf des am 18. März im Brüsseler Stadtteil Molenbeek verhafteten Terrorverdächtigen Salah Abdeslam bereits seit 7. Dezember bekannt war.

Aus einem vertraulichen Bericht an die Antiterrorzelle der Kriminalpolizei von Brüssel geht nach Angaben der Zeitung hervor, dass ein Polizist aus Mechelen seit dem 7. Dezember im Besitz der Adresse Rue des Quatre Vents 79 in Molenbeek war, wo Abdeslam Freitag vergangene Woche verhaftet wurde. Der vertrauliche Bericht sei nicht übergeben worden, er sei drei Monate von der Polizei in Mechelen zurückgehalten worden. Der Zeitungsbericht enthält keine offizielle Stellungnahme der belgischen Behörden.

Der Polizist in Mechelen wurde demnach von einem Kollegen mit Migrationshintergrund über das Versteck Abdeslams informiert, der zu dem Zeitpunkt im Krankenstand war. Dieser habe aus der Gemeinde in Molenbeek erfahren, dass der Sohn eines gewissen D'Jamilla Mohamed, Abid, viele Kontakt mit Abdeslam habe. Der Bericht führe an, dass der junge Mann mit einem schwarzen Citroen fahre und in der Rue des Quatre Vents 79 wohne.

USA führten Bakraouis als Terrorverdächtige

Die belgischen Behörden stehen bereits seit den Terroranschlägen von Paris massiv unter Kritik. Auch die akribisch geplanten Attentate auf die französische Hauptstadt waren in Brüssel vorbereitet worden. Kein gutes Licht auf die Ermittlungsarbeiten wirft auch ein Bericht von US-Sicherheitsbehörden: Sie sollen zwei der Brüsseler Attentäter, die Brüder Ibrahim und Khalid El Bakraoui, vor den Anschlägen als potenzielle Terroristen in einer Datenbank geführt haben.

Die beiden seien den Behörden bekannt gewesen, berichtete der Sender NBC am Donnerstag unter Berufung auf zwei Personen aus Sicherheitskreisen. Um welche der US-Terrordatenbanken es sich handelte, wollten sie demnach nicht sagen. Die beiden belgischen Brüder waren in ihrem Heimatland wegen verschiedener Delikte polizeibekannt, standen aber nicht unter Terrorverdacht. Der 27-jährige Khalid zündete nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft am Dienstag die tödliche Bombe in der Brüsseler Metro. Der 29-jährige Ibrahim war demnach einer der Selbstmordattentäter vom Flughafen Zaventem.

>>> Bericht auf "La Dernière Heure".

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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