Südchinesisches Meer: Es gärt zwischen Indonesien und China

Schiffe der indonesischen Marine
Schiffe der indonesischen Marinewikipedia/Indonesische Marine
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Ein Zwischenfall zwischen indonesischen und chinesischen Küstenwach- und Fischereischiffen zieht nun auch Indonesien in den hochbrisanten multinationalen Streit um Ansprüche in der Meeresregion hinein.

In den heiklen und potenziell kriegsträchtigen Streit um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer wird nun offenbar auch ein Anliegerstaat hineingezogen, der sich bisher heraushalten konnte: die riesige und bevölkerungsreiche Inselrepublik Indonesien (rund 255 Millionen Bewohner). Grund: Vor etwa zwei Wochen gab es einen schweren Zwischenfall zwischen indonesischen und chinesischen Schiffen in indonesischen Gewässern, weshalb das Verteidigungsministerium in Jakarta nun am Wochenende ankündigte, auf einer Inselgruppe in dem Seegebiet die Garnison drastisch auszubauen.

Es geht um die Natuna-Inseln, einen Archipel aus 272 Inseln (die meisten sind winzig und unbewohnt) am Südwestrand des Südchinesischen Meers, den man von der Lage her auf den ersten Blick als zu Malaysia gehörend einschätzen würde, weil er - siehe Karte - etwa auf halbem Weg zwischen der malaiischen Halbinsel im Westen und den malaysischen Territorien im Norden der Insel Borneo im Osten liegt; Borneo teilen sich Malaysia und Indonesien.

Die Zugehörigkeit der Natunas, wo etwa 100.000 Menschen hauptsächlich von Fischfang und Landwirtschaft leben und der Tourismus (noch) wenig bedeutend ist, zu Indonesien ist an sich unumstritten, das wurde bisher auch von China akzeptiert, dessen nächstliegendes Festlandsgebiet, die große Insel Hainan, doch rund 1600 Kilometer weiter nördlich liegt.

Allerdings überlappen sich die enormen chinesischen Hoheitsansprüche im Südchinesischen Meer ein wenig mit der ausschließlichen indonesischen Wirtschaftszone im Meer (200 Seemeilen) um die Natunas. Das führte bisher, wie gesagt, aber nicht zu Konflikten mit Indonesien in einem Maß, wie sie zwischen China und den anderen Anliegern dieser Meeresregion bestehen: mit Taiwan, den Philippinen, Malaysia, Brunei und Vietnam. Peking reklamiert nämlich dieses Meer sowie Inselgruppen darin wie die Spratlys aus "historischen" Gründen, die völkerrechtlich kaum tragfähig sind, fast komplett für sich und schneidet massiv in die fremden Anspruchszonen, ja sogar die völkerrechtlich eindeutigen Ausschließlichen Wirtschaftszonen, hinein - siehe Karte unten:

Karte der Ansprüche. Jener Chinas ist in Form der riesigen roten
Karte der Ansprüche. Jener Chinas ist in Form der riesigen roten "Zunge"; die größte der indonesischen Natuna-Inseln ist dicht vor dem unteren Ende der Zunge zu erkennen.wikipedia/Voice of America

Mit Indonesien gab es zwar zwei Vorfälle 2010 und 2013: Da waren chinesische Fischer in indonesischen Wassern aktiv, die Küstenwache nahm sie fest, dann aber tauchten bewaffnete Schiffe der Chinesen auf und erzwangen mehr oder wenig höflich die Freilassung der Fischer.

Bisher ein "ehrlicher Makler"

Man hat diese Vorfälle allerdings heruntergespielt, den überlappenden chinesischen Anspruch mehr oder weniger ignoriert und die mäßige Präsenz der indonesischen Streitkräfte auf den Natuna-Inseln wurde kaum verstärkt. Im Gegenteil agierte Indonesien bisher als Vermittler und "ehrlicher Makler", wenn es zwischen China und den anderen erwähnten Anliegern wieder einmal krachte - besonders oft geschieht das im Verhältnis zu Vietnam und den Philippinen. Indonesien hat übrigens bisher auch - anders als die anderen genannten Länder - keine erweiterten Ansprüche im Südchinesischen Meer erhoben.

Indonesische Soldaten der Spezialeinheit
Indonesische Soldaten der Spezialeinheit "Kopassus"Reuters

Nun aber könnte China, das in den vergangenen Jahren einfach Fakten schaffte, indem Atolle und Inseln im Südchinesischen Meer sozusagen zu Festungen ausgebaut wurden, den Bogen überspannt haben: Denn vor besagten etwa zwei Wochen, am 19. März, drang erneut ein Fischereischiff in indonesische Gewässer, jene bei Natuna, ein. Ein indonesisches Patrouillenboot kreuzte auf und die acht Fischer auf dem Trawler wurden festgenommen.

Der Versuch, diesen in Schlepp zu nehmen und in den nächsten Hafen zu bringen, wurde aber von einem herbeieilenden Schiff der chinesischen Küstenwache vereitelt. Die Chinesen bemächtigten sich ihres Fischkutters und verließen damit den Schauplatz. Die Indonesier verweigerten allerdings die Freilassung der Fischer, ihnen drohe ein ordentliches Strafverfahren, kündigte Fischereiministerin Susi Pudjiastuti an.

Fischereiministerin Susi Pudjiastuti
Fischereiministerin Susi PudjiastutiREUTERS

Die Regierung in Jakarta reagierte empört und warnte Peking vor weiteren ähnlichen Aktionen. Man sehe den Einsatz für Frieden in der Region unterminiert und überlege sogar, den internationalen Seegerichtshof in Hamburg anzurufen. Allerdings wurde auch betont, dass es keinen grundsätzlichen Konflikt mit China gebe.

"Traditionelle chinesische Fischgründe"

Chinesische Regierungssprecher erwiderten, dass die Souveränität Indonesiens über die Natunas außer Frage stehe. Nur: "Das Fischerboot war in traditionellen chinesischen Fanggründen unterwegs", hieß es, es habe indonesische Gewässer niemals verletzt und man fordere die Freilassung der Landsleute.

Indonesien jedenfalls greift jetzt demonstrativ in den Köcher: Das Verteidigungsministerium gab bekannt, dass fünf Kampfflugzeuge F-16 "Fighting Falcon" und Seeaufklärer auf den Natuna-Archipel (konkret die Hauptinsel Riau) verlegt würden, um "Diebe abzuschrecken". Man werde den Hafen und das Flugfeld dort ausbauen, Marineinfanterie, ein Infanteriebataillon der Armee und Spezialeinsatzkräfte der Luftwaffe dort stationieren bzw. bisherige Einheiten vergrößern. Dazu sollen modernere Radarsysteme und Drohnen kommen.

Indonesische F-16
Indonesische F-16Indonesische Luftwaffe/ Captain Agung "Sharky" Sasongkojati

Die Marine will vorerst drei Fregatten in die Region verlegen - das ist immerhin die Hälfte des aktuellen indonesischen Inventars an dieser Schiffsklasse. Die Fregatten sind übrigens ehemalige Einheiten der "Van-Speijk"-Klasse der königlich niederländischen Marine, die in den 1960ern gebaut und in den 1980ern an Indonesien verkauft worden waren.

Beobachter sind sich einig: Indonesien ist drauf und dran, vom Vermittler zu einer Streitpartei beim Verteilungskampf ums Südchinesische Meer zu werden.

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