Reaktion. Kroatien sieht das Urteil als Beleidigung für Opfer.
Belgrad. Serbiens Premier, Aleksandar Vučić, ließ kein gutes Haar an dem freigesprochenen Ultranationalisten Vojislav Šešelj: Dessen Politik „stößt Serbien wieder in die Vergangenheit und isoliert das Land von allen anderen“, wetterte er am Freitag. Er richte eine „letzte Mahnung“ an seine Landsleute, einer Politik abzuschwören, „die Serbien in den Abgrund treibt“.
Der 61-jährige Šešelj ist am Donnerstag vom UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag überraschend freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, als er für die Idee eines Großserbien während der Balkan-Kriege in den 1990er-Jahren Freischärler-Einheiten nach Kroatien und Bosnien und Herzegowina schickte. Der heutige Premier Vučić zählte selbst lang zu den engsten Vertrauten Šešeljs, bis er sich 2008 von ihm abwandte.
Belastete Beziehungen
Im Nachbarland Kroatien hält der Schock über den Freispruch an. Es wird befürchtet, dass das Urteil die Beziehungen der beiden Länder weiter belasten könnte. „Das Urteil ist beleidigend und schockierend für alle Opfer der aggressiven großserbischen Politik“, sagte Kroatiens Außenminister, Miro Kovač, in Wien. „Für den Versöhnungsprozess zwischen den Menschen und Nachbarländern ist es vernichtend.“ Kroatien verhängte ein Einreiseverbot gegen den serbischen Ultranationalisten Šešelj. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2016)