Verteidigungsminister Doskozil reiste zu seinem griechischen Amtskollegen – auch, um die Wogen zwischen Wien und Athen zu glätten.
Athen. 42 Tage. So lange ist die griechische Vertretung in Österreich schon ohne ihre Botschafterin. Am 25. Februar hatte Athen seine Spitzendiplomatin in Wien wegen der diplomatischen Spannungen mit Österreich in der Flüchtlingskrise zurückbeordert. Das also waren die klimatischen Vorbedingungen, als Hans Peter Doskozil nach Athen zu seiner bisher schwierigsten Auslandsreise abhob. Österreichs Verteidigungsminister wollte am Mittwoch im Gespräch mit seinem griechischen Amtskollegen, Panos Kammenos, die Wogen glätten, „wieder eine Basis finden“.
Als die beiden zu Mittag, nach kurzem Vieraugengespräch, unter der griechischen Sonne einen Kranz vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten niederlegten, schien sich das Klima etwas aufgehellt zu haben.
Dass Doskozil von dem streitbaren Chef des rechtspopulistischen Regierungs-Juniorpartners „Anel“ überhaupt empfangen wurde, galt schon als Teilerfolg: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner war nach dem Eklat wegen der Westbalkan-Konferenz noch bei ihrem Ressortkollegen in Athen abgeblitzt. Auf dem berüchtigten Treffen war unter Wiener Regie im Februar die Schließung der Westbalkan-Route, genauer der griechisch-mazedonischen Grenze, offiziell verkündet worden. Griechenland nannte das Treffen „eine Schande“ – aus Athen war kein Vertreter eingeladen gewesen.
Und so gibt es in Griechenland nun 53.000 Flüchtlinge, 4700 allein in Piräus. Im größten Hafen Griechenlands reiht sich neben den Fähren, die hier angelegt haben, Flüchtlingszelt an Flüchtlingszelt. Das blanke Chaos. Die Regierung will das Areal nun räumen.
Nur einen Steinwurf entfernt, im Flüchtlingslager Schisto, einer ehemaligen Militäranlage, umringen hunderte Flüchtlinge Doskozil. Irgendwann steht der Minister vor einer Syrerin mit weißen Kopftuch: Mit Tränen in den Augen sagt sie Doskozil, sie wolle zu ihrer „Familie und ihren Freunden“ in einem anderen Teil Europas. Die junge Frau hat vielleicht eine Chance. Doch 99 Prozent der knapp 2000 Flüchtlinge in Schisto haben kaum eine. Sie sind Afghanen und sitzen hier fest, seit die Grenze zu Mazedonien dicht ist – „und hoffen, dass sie sich doch noch öffnet“, sagt Ahmad. „In unserer Heimat gehen Bomben hoch.“ Das Leben im Camp hier sei schlecht: Und zwar nicht, wegen des Essens oder der Hygiene, sondern weil sie hier ständig grübeln, was denn nun aus ihnen werden soll.
Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise stehe Europa auf einer Skala von eins bis zehn bei 1,5, sagte Doskozil. Zehn wäre gut. „Die Rückführungen funktionieren nicht“, sagt er. Erstens gilt das Abkommen mit der Türkei nicht für Flüchtlinge wie den Afghanen Ahmed, die vor 20. März nach Europa kamen. Zweitens wurden hier in Griechenland zwar unter dem neuen EU-Deal mit Ankara diese Woche bisher 200 Menschen zurück in die Türkei überstellt.
Doch die Flüchtlinge antworteten mit Asylanträgen in Griechenland. Sie gewinnen dadurch Zeit, Griechenland muss die Anträge prüfen. Das dauert wohl mindestens einen Monat. Es fehlt dafür auch das Personal.
Was die Umverteilung anbelangt ist Doskozil „ebenfalls skeptisch“. Er hat deshalb in Athen für seine Idee einer zivil-militärischen EU-Mission geworben, die er sich in der Vorwoche schon von seinen zentraleuropäischen Amtskollegen hat absegnen lassen – und die er am 19. April im EU-Verteidigungsministerrat vortragen wird. Soldaten sollen bei Rückführungen, Schutz der Außengrenzen, vielleicht auch bei Registrierungen helfen. Dafür gibt es zwar neben nationalen Behörden die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Aber Doskozil hält sie für überfordert, zu langsam, zu behäbig. Also sollen Soldaten an die EU-Außengrenze, etwa nach Bulgarien, wo Doskozil nun den nächsten Flüchtlingsandrang erwartet.
In Athen holte er sich mit seinen Missionsplänen zumindest keine klare Absage: Man freue sich darüber, wenn Hilfe von einem verbündeten Staat komme, sagte Kammenos, zumal die Flüchtlingskrise auch am griechischen Militärbudget nage – und die Grenze ja eine Europäische sei. Ins Detail ging der Minister nicht. Kammenos gab sich aber im Ton überraschend konziliant, nannte Doskozil einen Freund. Einen Seitenhieb gab es gegen den EU-Türkei-Deal: Geld sollte nur fließen, wenn Ankara für die Sicherheit der Flüchtlinge sorge, so Kammenos; Griechenland dürfe nicht zu einem „Lager der verlorenen Seelen“ verkommen.
Ein krawalliger Patriot
Dabei ist der griechische Verteidigungsminister eher für seinen krawalligen Patriotismus berüchtigt. In den Verhandlungen um EU-Gelder in der Schuldenkrise drohte er im Vorjahr, „Europa mit Flüchtlingen zu überschwemmen“, Berlin unterstellte er schon einmal, am „Vierten Reich“ zu zimmern, von Juden behauptete der stramm orthodoxe Christ einmal fälschlicherweise, sie würden weniger Steuern zahlen müssen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2016)