Armeniens Präsident fordert Anerkennung Berg-Karabachs

Armeniens Präsident, Serzh Sargsyan.
Armeniens Präsident, Serzh Sargsyan.(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
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Die nach dem Ausbruch heftiger Kämpfe um Berg-Karabach ausgerufene Waffenruhe hielt am Mittwoch zunächst weitgehend. Armeniens Präsident, Serzh Sargsyan, warb bei einem Treffen mit Kanzlerin Merkel in Berlin um die Unterstützung der europäischen Staaten.

Jerewan/Baku. Nach dem Ausbruch heftiger Kämpfe zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen in der Nacht auf Samstag, die am Dienstag vorerst durch eine Waffenruhe beendet wurden, herrscht im Kaukasus gespannte Ruhe. Bei den mehrtägigen Gefechten, die im Gebiet der de facto autonomen, staats- und völkerrechtlich aber zu Aserbaidschan gehörenden armenischen Enklave Berg-Karabach stattgefunden hatten, waren etwa 75 Soldaten und Zivilisten ums Leben gekommen.

Armeniens Präsident, Serzh Sargsyan, forderte am Mittwoch in Berlin von der internationalen Gemeinschaft die Anerkennung des „Rechts der Bevölkerung von Berg-Karabach auf Selbstbestimmung“. Die Menschen in der Kaukasus-Region wollten „über das eigene Schicksal selbst verfügen und die eigene Zukunft frei meistern“. Das müsse die Weltgemeinschaft anerkennen.

Sargsyan warf Aserbaidschan einen „bewaffneten Überfall“ vor. „Das Volk Berg-Karabachs will keinen Krieg“, sagte er an der Seite von Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, „sondern etwas, für das alle kolonialisierten Völker immer gekämpft haben.“ Seit 1988 seien die Menschen in Berg-Karabach dazu gezwungen, für ihre Freiheit zu kämpfen. „Sie erwarten von der internationalen Gemeinschaft nur eines, nämlich die Anerkennung dieses ihres Rechts.“

Die jüngsten Kämpfe in Berg-Karabach waren die schwersten in der Region seit mehr als 20 Jahren. Die Region von etwa der kombinierten Größe des Burgenlands und Wiens mit rund 150.000 Einwohnern hatte sich nach dem Zerfall der UdSSR 1991 bis 1994 in einem Krieg mit Unterstützung Armeniens von Aserbaidschan abgespalten. Seither herrschte eine brüchige Waffenruhe.

Türkei hält zu Aserbaidschan

In Berg-Karabach erklärte das von Armenien unterstützte lokale Verteidigungsministerium am Mittwoch, die Feuerpause entlang der Frontlinie sei „weitgehend eingehalten“ worden. Auch ein Fotograf in der Ortschaft Matagis berichtete, dass die vergangene Nacht „ruhig und ohne Schüsse“ verlief. Er hielt sich etwa zehn Kilometer von der Frontlinie entfernt auf. Ein Armeevertreter in Berg-Karabach sagte, gelegentliche Schüsse seien „seit Jahren eine normale Sache an der Frontlinie“. Das bedeute nicht, dass die Waffenruhe, die in Moskau vereinbart worden war, gescheitert sei. Das Verteidigungsministerium in Aserbaidschan erklärte, die Streitkräfte hielten sich an die Vereinbarung, die Waffen ruhen zu lassen.

Neben Merkel riefen auch Russland und Frankreich zur Einhaltung der Waffenruhe auf. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, warf unterdessen Russland vor, für Armenien „Partei zu ergreifen“. Die türkische Regierung hatte ihrerseits Aserbaidschan mehrfach ihre Unterstützung zugesichert.

Die EU will die Beziehungen zu Armenien trotz des Beitritts des Landes zu der von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsunion verbessern. Die EU respektiere diese Entscheidung Armeniens, sagte Merkel am Mittwoch nach dem Treffen mit Sargsyan.

Russland hatte in den vergangenen Jahren die ehemaligen Sowjetrepubliken, darunter die Ukraine, aufgefordert, der Eurasischen Wirtschaftsunion beizutreten und keine Assoziierungsabkommen mit der EU anzustreben. Während Armenien diesen Schritt im Jänner 2015 vollzog, sorgte die Hinwendung der Ukraine zum Westen zum Bruch mit Moskau. Die EU sieht freilich keinen Gegensatz zwischen einer Assoziierung und einer wirtschaftlichen Anbindung der Länder sowie einer Mitgliedschaft in der EU.
Merkel lobte die innenpolitischen Reformen in Armenien. Es sei richtig, für mehr Transparenz in Politik und Wirtschaft zu sorgen. Deutschland ist nach Angaben des armenischen Präsidenten der zweitgrößte Handelspartner des Kaukasuslandes.

Merkel will vermitteln

Zur jüngsten Eskalation meinte Merkel, der Konflikt sei schon viele Jahre nicht gelöst worden: Was 23 Jahre dauere, sei auch jetzt durch einen Besuch oder einen neuen Anlauf nicht einfach zu lösen. Deutschland werde aber „konstruktiv helfen“, um den Konflikt zu überwinden. Im Juni plane sie ein Treffen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew, um den Konflikt auch aus dieser Perspektive zu diskutieren, sagte Merkel. (APA/AFP/Reuters)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2016)

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