Serbien und Kosovo führen Geheimgespräche in Wien

Themenbild
Themenbild(c) APA/HARALD SCHNEIDER
  • Drucken

Streit um Lkw-Blockade. Marko Djurić, Direktor des Kosovo-Büros der serbischen Regierung, wirft Prishtina „einseitige Maßnahmen“ vor.

Wien. Es ist eine Blockade, die wirtschaftlich schmerzt. Laut Prognosen öffentlicher Stellen in Belgrad verliert Serbien umgerechnet 3,5 Millionen Euro jährlich, weil der Kosovo keine serbischen Lastkraftwagen mit sogenannten Gefahrengütern einreisen lässt. Deshalb steigt der Druck serbischer Wirtschaftstreibender auf die Regierung in Belgrad – gerade jetzt vor den Parlamentswahlen am 24. April.

Nun sollen Geheimgespräche in Wien eine Lösung herbeiführen. Wie „Die Presse“ erfuhr, sind dazu bereits Anfang der Woche Vertreter Serbiens und des Kosovo auf Vermittlung der EU in der Bundeshauptstadt zusammengetroffen. Die Verhandlungen fanden in den Büroräumen der EU-Grundrechteagentur am Schwarzenbergplatz statt. Für kommende Woche ist eine weiteres Treffen geplant.

Serbiens Regierung erkennt weiterhin die 2008 in Prishtina ausgerufene Unabhängigkeit des Kosovo nicht an. Auf Vermittlung der EU versuchen die einstigen Kriegsgegner aber, wichtige praktische Fragen in Verhandlungen zu lösen. Dieser Dialog ist auch Voraussetzung dafür, dass beide Seiten ihren Weg in Richtung EU-Mitgliedschaft fortsetzen können. Der Lkw-Streit entwickelt sich nun aber zunehmend zu einem Hindernis in der weiteren Annäherung zwischen Belgrad und Prishtina.

Die Behörden im Kosovo argumentieren, dass es sich bei der Blockade serbischer Lastkraftwagen um eine „Gegenmaßnahme“ handle. Belgrad akzeptiere nämlich nicht die im Kosovo für kosovarische Lkw ausgestellten sogenannten ADR-Zertifikate, mit denen Gefahrenguttransporte in Europa gekennzeichnet werden müssen.

Serbien sieht das völlig anders: „Auch alle anderen Länder erkennen die im Kosovo ausgestellten ADR-Zertifikate nicht an, da der Kosovo kein ADR-Mitglied ist“, sagt der Direktor des Kosovo-Büros der serbischen Regierung, Marko Djurić, zur „Presse“. Djurić hat die serbische Delegation bei den jüngsten Verhandlungen in Wien angeführt.

Djurić wirft den Behörden des Kosovo vor, dass die Blockade serbischer Lkw eine einseitige Maßnahme sei. „Wir erkennen zwar die im Kosovo ausgestellten ADR-Zertifikate nicht an. Wir lassen aber alle Lkw aus dem Kosovo an der administrativen Linie zu Zentralserbien passieren“, erklärt er. Wenn einer der Lastkraftwagen mit Gefahrengut während der Reise in Serbien gestoppt werde, werde nur überprüft, ob die Fahrzeuge die nötigen Standards einhalten. Auch Länder wie Slowenien würden das mit Gefahrenguttransporten aus dem Kosovo so handhaben. „Bisher haben wir von Aktionen Abstand genommen, die zur weiteren Eskalation beitragen könnten.“

„Anerkennung über Hintertür“

Am 27. August hinderten serbische Behörden bei Novi Sad zwei Lkw mit Gefahrengut aus dem Kosovo an der Weiterfahrt. Das führte auf höchster politischer Ebene zu Unstimmigkeiten, denn Prishtina protestierte. Laut Djurić wurden die Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen gestoppt. „Die beiden Lkw waren in einem solch schlechten Zustand, dass wir sie nicht weiterfahren lassen konnten. Wir haben ihnen auch vier Monate Zeit gegeben, um die Wagen herzurichten.“

Djurić wittert hinter dem Vorgehen der Kosovo-Behörden strategische Überlegungen: „Wir sollen als erstes Land ihre ADR-Zertifikate anerkennen. Doch die dürfen nur die kompetenten Behörden der ADR-Mitglieder ausstellen. Prishtina will uns damit quasi über die Hintertür dazu bringen, dass wir de facto eine Eigenstaatlichkeit des Kosovo anerkennen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kosovo´s new President Hashim Thaci and outgoing President Atifete Jahjaga review the guard of honor during the Presidential inauguration ceremony in Pristina
Außenpolitik

Tränengasanschlag vor Angelobung Hashim Thaçis

Neuer Präsident. Opposition wollte Wahl verhindern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.