Aleksandar Vučić: Der serbische Dominator

Serbian Prime Minister Aleksandar Vucic speaks before the opening ceremony of the 19th International Economic Fair in Mostar
Serbian Prime Minister Aleksandar Vucic speaks before the opening ceremony of the 19th International Economic Fair in MostarREUTERS
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Umfragen sagen der Partei des serbischen Premiers, Vučić, beim Urnengang am Sonntag bis zu 50 Prozent voraus. Die Opposition wirft dem PR-Profi einen autoritären Stil vor.

Zrenjanin/Belgrad. Rhythmisches Klatschen kündigt den Heilsbringer an. Tosender Beifall übertönt die Hymnen, als der Chef von Serbiens nationalpopulistischer Fortschrittspartei (SNS) auf das Podium schreit. „Vučić, Vučić!“, skandiert die Menge im Sportpalast im nordserbischen Zrenjanin in Richtung des Regierungschefs, Aleksandar Vučić. Er wolle bei der Parlamentswahl am Sonntag einen „klaren Sieg“, verkündet der hochgewachsene Premier: „Es stehen uns fünf Jahre Wachstum bevor. Wir werden abgehen wie eine Rakete!“

Unablässig legt der Dauerwahlkämpfer Grundsteine für neue Fabriken, eröffnet Autobahnteilabschnitte und neue Schultoiletten. Doch trotz seines Credos von Serbien als „Balkan-Tiger“ dümpelt der angeschlagene EU-Anwärter selbst im regionalen Vergleich den Nachbarn deutlich hinterher. „Der Balkan-Tiger am Boden“ titelte das Wochenblatt „NIN“, das die Schlüsseldaten von acht Balkanstaaten verglich. Bei der Wirtschaftskraft, dem Wachstum, der Inflation, der Kaufkraft und den Löhnen rangiert Serbien auf dem letzten Platz.

Schlechte Wirtschaftslage

Weichzeichner und Photoshop lassen den sonst eher gestrengen Oberlehrer der Nation auf den Wahlplakaten ohne Brille und mit merklich geschmälerten Lippen milde lächeln. Zur guten Laune hat er guten Grund: Trotz der eher miserablen Wirtschaftslage steuern der Ex-Nationalist und seine regierende SNS bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag laut den Umfragen einem klaren Sieg entgegen. Serbiens Umfrageinstitute sagen der SNS einen Stimmanteil von bis zu 50 Prozent voraus.

Um den zweiten Platz ringen ihnen zufolge die mitregierenden Sozialisten (SPS) und die ultranationalistische SRS von Vojislav Sešelj mit prognostizierten zehn bis 15 Prozent. Wie das rechtsklerikale Wahlbündnis DSS-Dveri muss auch die proeuropäische Konkurrenz der lang regierenden DS, die von ihr abgesplitterten SDS von Ex-Präsident Boris Tadić sowie die Liste des früheren Wirtschaftsminister Saša Radulović, um den Parlamentseinzug bangen.

„Neue Energie und neue Minister“, gelobt Vučić. Doch bei der Frage der Notwendigkeit des Urnengangs scheiden sich angesichts der klaren Mehrheit der SNS im Parlament die Geister. Manche Kritiker werfen Vučić vor, mit den vorgezogenen Wahlen nur die überfällige Liquidierung hochdefizitärer Staatsbetriebe verschieben zu wollen – und die Gelegenheit zu nutzen, vor Einschnitten erst seine Amtszeit zu verlängern.

Andere Analysten glauben, dass Vučić sein hohes Rating nutzen wolle, um sich an den Parteien der proeuropäischen Konkurrenz zu rächen – und sie ins außerparlamentarische Abseits zu drücken: Das Comeback seines früheren politischen Ziehvaters, Vojislav Šešelj, käme ihm hingegen gelegen, um mit ihm als Schreckensfigur die Kritik an seiner autoritären Amtsführung verstummen lassen zu können. „Er könnte dann sagen: ,Seht her, was ihr sonst noch habt; ich bin der Einzige, mit dem ihr Dinge regeln könnt‘“, so der Soziologie Jovo Bakić. Der Ultranationalist Šešelj war erst am 31. März vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag freigesprochen worden.

Im Westen wird der Ex-Nationalist Vučić als berechenbarer Garant der Stabilität geschätzt. „Vučić liefert“, lautet die oft gehörte Diplomatenbilanz. „Vučić ist schlau – und gehorcht dort, wo er zu gehorchen hat“, meint hingegen Analyst Bakic, der Vučić einen autoritären Regierungsstil bescheinigt. Der EU und den USA sei Stabilität immer am wichtigsten gewesen: „Ob ein Land autoritär geführt wird oder nicht, interessiert den Westen nicht. Nur wenn es nun wie in Mazedonien zu Chaos kommt, erinnert er sich, dass etwas nicht in Ordnung ist.“

Perfekt geölte PR-Maschinerie

Nicht weniger als 40 Busse mit Parteianhängern aus dem ganzen Land haben vor der Sporthalle in Zrenjanin geparkt. „Ich habe Hunger, helfen Sie mir!“, schreit eine Zwischenruferin – und wird von den Saalordnern unter Beifall des Publikums und einem launigen Kommentar Vučićs sofort des Saales verwiesen. Die perfekt geölte PR-Maschinerie wird von fast vollständig auf Regierungslinie gebrachten Medien assistiert. Serbiens allgegenwärtiger Dominator, der schon unter Machthaber Slobodan Milošević in den 1990er-Jahre als Informationsminister gedient hat, sei ein unübertrefflicher Propaganda-Manipulator, bescheinigt ihm sein einstiges Idol, SRS-Chef Šešelj: „Aber er übertreibt. Er ist überall: ,Stellen Sie die Waschmaschine an, dreht sich Vučić. Stellen Sie das Bügeleisen an, dampft schon wieder er.‘“

Zersplitterte Opposition

„Die Opposition hat nur ein Programm, mich zu hassen“, höhnt Vučić. Die mediale Omnipräsenz des Premiers ist tatsächlich nur ein Teil des Grundes seines Erfolgs. Die zeitweise Verhaftung von Delta-Chef Misko Mišković, der als reichster Mann des Landes vielen als verhasstes Sinnbild des korrupten Wendegewinnlers galt, ließ 2012 die Popularität von Vučić dauerhaft in die Höhe schnellen.

Zwar hat sich am System der mit der Politik eng verwobenen Oligarchen nichts geändert. Doch die zersplitterte Opposition weiß davon kaum zu profitieren. Die Opposition habe viel Vertrauen verloren, als sie selbst an der Regierung war, sagt Bakić: „Und sie hat sich nicht ausreichend erneuert, um Vertrauen zurückzugewinnen.“

AUF EINEN BLICK

Am Sonntag finden in Serbien vorgezogene Parlamentswahlen statt. Großer Favorit ist die Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Premier Aleksandar Vučić. Die zweitmeisten Stimmen dürfte der Koalitionspartner der SNS, die Sozialistische Partei (SPS) von Außenminister Ivica Dačić, erzielen. Der Serbischen Radikalen Partei (SRS) von Vojislav Šešelj könnte laut Umfragen die Rückkehr als drittstärkste Partei ins Parlament glücken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2016)

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