Ungarn verlegt Flüchtlinge an Österreichs Grenze

Flüchtlinge an der österreichischen Grenze (Archivbild)
Flüchtlinge an der österreichischen Grenze (Archivbild)(c) Stanislav Jenis
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Die Polizei im Südburgenland verschärft Grenzkontrollen. Bundesheer schickt Soldaten. Schlepper schalten einstweilen Stellenanzeigen: 2000 Euro zahlen sie pro Woche für Fahrten auf der Strecke Wien–Budapest.

Wien. Das Innenministerium hat das Bundesheer – erneut – um Verstärkung gebeten. Rund 150 Soldaten streifen seit gestern über die grüne Grenze im Südburgenland. Neben dem Assistenzeinsatz einer weiteren Kompanie gibt es seit gestern 8 Uhr früh auch an den Übergängen in den südlichen Bezirken Güssing und Jennersdorf vorübergehende Grenzkontrollen. 300 Beamte hat die Polizei für den „Kampf gegen die illegale Migration“ im Burgenland abgestellt, wie der „Presse“ bestätigt wurde.

Ein Grund dafür liegt wenige Kilometer östlich: Ungarn wollte gestern, Montag, beginnen, die ersten registrierten Flüchtlinge und Migranten in ein Asyllager in Körmend in unmittelbare Nähe zu Österreichs Grenze zu verlegen. Die offene Zeltstadt ist für bis zu 300 Flüchtlinge ausgelegt. Die Behörden gehen nun davon aus, dass sich die nach Körmend gebrachten Menschen bald gen Österreich in Bewegung setzen könnten. Damit scheint Ungarn jedenfalls zu kalkulieren: Die Regionaldirektorin des Amtes für Einwanderung und Staatsbürgerschaft begründete zuletzt die Öffnung des Lagers mit der „Zwangslage“, in der sich Ungarn wegen des „steigenden Migrationsdrucks“ befinde.

Das Schlepperwesen floriert

Ein weiterer Grund liegt in der erneuten Ausbreitung des Schlepperwesens. Der Menschenschmuggel floriert wieder. Durch die Schließung der griechisch-mazedonischen Grenze ist die Fluchtroute in mehrere kleinere Wege zersplittert. Eine Strecke führt nun von der Türkei über Bulgarien, Serbien und durch den löchrigen ungarischen Grenzzaun. Nach Österreich kommen die Menschen dann meist gepfercht in Minivans oder in Kleinbusse, nur selten in Lkw, heißt es. Im Burgenland gab es seit Jahresbeginn 1822 Aufgriffe, wie eine „Presse“-Anfrage ergab. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 1633. Der Polizei gingen bis April 50 Schlepper ins Netz (2015: 65).

Im Nord- und Mittelburgenland ist längst eine Kompanie des Bundesheers im Assistenzeinsatz. Dort gibt es bereits seit der Vorwoche wieder Grenzkontrollen. In Nickelsdorf wird zudem ein Zaun vorbereitet, falls es wieder zu einem Massenandrang wie im Herbst kommen sollte. Auch für Heiligenkreuz im Südburgenland wird eine Barriere erwogen. VP-Innenminister Wolfgang Sobotka stieg aber öffentlich auf die Bremse: Die Zäune würden zwar vorbereitet, seien „derzeit aber nicht notwendig“. Wie dreist die Schlepper mitunter vorgehen, zeigte vor zwei Wochen ein Bericht des rumänischen Fernsehsenders „Stirile Pro TV“: Ein Landsmann aus dem Raum Timiş in Westrumänien war demnach auf eine Stellenanzeige im Internet gestoßen. Gesucht wurde ein Fahrer für die Strecke Budapest nach Wien. Ein B-Führerschein würde ausreichen, war zu lesen. Der Annonce war ein Bild mehrerer Kleinbusse beigefügt.

Bei einem Treffen gab sein möglicher „Arbeitgeber“ dann offen zu, dass es um den Transport von sieben bis acht Migranten pro Fahrt gehe. Dafür winke ein Gehalt von 1000 bis 2000 Euro für drei Arbeitstage pro Woche. Sehr, sehr viel Geld in einem Land mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von rund 600 Euro. Der Rumäne steckte die Geschichte dem TV-Sender. Andere kassieren ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2016)

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