Burka-Verbot: Viel Lärm um nichts?

(c) AP (Claude Paris)
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Studie relativiert die Debatte: Nur 400 Frauen verschleiern sich in Frankreich völlig. Die UMP warnt vor der Tendenz der Statistik.

PARIS. Seit Wochen diskutieren französische Parlamentarier, ob die völlige Verschleierung muslimischer Frauen in Frankreich verboten werden soll. Sogar eine parlamentarische Kommission wurde eingesetzt, um gesetzliche Maßnahmen gegen das Tragen von Burka und Niqab zu prüfen.

Nun liefert das Innenministerium mit der Publikation einer Zahl, welche die meisten überrascht, zusätzliche Nahrung für die Debatte. Einer bezüglich der Methodik nicht genauer beschriebenen Zählung des (normalerweise dank Nachrichtendienste gut informierten) Ministeriums nach gebe es heute in Frankreich genau 367 Frauen, die sich durch Burka oder Niqab völlig verschleiern.

In der Mehrzahl soll es sich um jüngere Frauen handeln, die kürzlich zum Islam konvertierten oder mit ihrem Auftreten provozieren wollten. Wenn es also im ganzen Land weniger als 400 sind, werde womöglich mit der ausgiebig in den in- und ausländischen Medien kommentierten Debatte doch viel Lärm um (fast) nichts gemacht, geben nun einige Zeitungen zu bedenken. Auch der Rektor der Großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur, meint, die laut Behörden wirklich geringe Zahl von Burkas beweise nur, dass kein Anlass bestehe, eine landesweite Debatte zu dieser Frage zu lancieren.

„Die Tendenz beunruhigt“

Gar nicht dieser Meinung ist Thierry Mariani, ein Abgeordneter der Regierungspartei UMP aus dem südfranzösischen Departement Vaucluse. Er warnt, dass die Tendenz der Statistik entscheidend sei: „Noch vor drei, vier Jahren sah man keine Burkas oder Niqabs auf unseren Straßen, jetzt sind es schon 367, wenn es 2000 oder 3000 sind, ist es zu spät.“ Auch der kommunistische Abgeordnete und Bürgermeister des Lyoner Vororts Vénissieux ist der Meinung, bei den angeblich nur 367 offiziell bekannten Fällen handle es sich um die „Spitze eines mit einem schwarzen Tuch bedeckten Eisbergs“. Man dürfe die Bestrebungen islamistischer Fundamentalisten, bestimmte Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu kontrollieren, nicht unterschätzen. Nicht die Diskussion über ein eventuelles Verbot sei lächerlich, sondern die vom Ministerium genannte Zahl, die weit hinter der Realität zurückbleibe.

Unabhängig vom Streit über die Zahl plädiert Claude Bartolone, der sozialistische Generalratsvorsitzende des Departements Seine-Saint-Denis im Norden von Paris, das einen besonders hohen Anteil von Immigranten aus muslimischen Ländern besitzt, für Pragmatismus. Wegen weniger als 400 Betroffenen und einer nationalen Debatte ein gesetzliches Verbot zu verabschieden, bedeutet seiner Meinung nach, „mit einer Riesenkeule auf eine Fliege zu schlagen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2009)

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