Afghanistan: Gestrandet am Hindukusch

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Zahl der Binnenflüchtlinge ist auf 1,2 Millionen gestiegen. Der Staat versagt bei ihrer Versorgung. Zugleich weiten sich Kämpfe aus.

Kabul. Mehr als 4000 Kilometer südöstlich von Wien fährt das Innenministerium seit einiger Zeit eine Kampagne: Es warnt Wirtschaftsmigranten auf Plakaten davor, nach Österreich aufzubrechen. Mit Ausrufezeichen wird Afghanen erklärt, dass das Asylrecht in Österreich nun strenger sei. Doch zugleich breiten sich am Hindukusch seit dem Abzug der Nato-Truppen Ende 2014 Gewalt und Terror wieder aus. Die Zahl der Binnenflüchtlinge schoss binnen dreier Jahre von 500.000 auf 1,2 Mio. in die Höhe, schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) in einem neuen Bericht. Die UNO veröffentlichte bereits ähnliche Zahlen.

Es gibt sichere Orte in dem Flächenland. Das schon. Aber die Regierung in Kabul scheitert dem AI-Bericht zufolge an der Grundversorgung der Binnenflüchtlinge, wie sie das internationale Recht vorschreibt. Mitunter müssten Flüchtlinge Tagesreisen auf sich nehmen, um an Wasser zu kommen. „Das letzte Mal, dass wir Nahrungshilfe erhalten haben, war im Winter. Drei Säcke Weizen gab es damals“, wird Raz Muhammad zitiert, Sprecher der Flüchtlinge im Lager Chaman-e-Barbak in Kabul. 2,6 Millionen von Muhammads Landsleuten sind im Ausland, 178.000 von ihnen stellten 2015 einen Asylantrag in Österreich. AI führt die üblichen Gründe an, warum Afghanistan an der Versorgung der Vertriebenen scheitert: Korruption, Mangel an Mittel, schwindendes Interesse der Weltöffentlichkeit, deren Aufmerksamkeit von Terror und Syrien-Krieg aufgesogen wird. Die UNO bat die Weltgemeinschaft um 393 Mio. Dollar für humanitäre Hilfe in Afghanistan. Bis Mai waren 72,2 Mio. überwiesen.

Etwas Aufmerksamkeit erhaschte Afghanistan, als die USA vor zwei Wochen Taliban-Anführer Akhtar Mansour tötete. Er hatte Friedensgespräche mit Kabul ausgeschlossen. Doch auch unter Nachfolger Mullah Akhundzada weiten sich die Kämpfe aus – in der südlichen Provinz Helmand etwa, wo die Taliban in fünf von 14 Bezirken das Sagen haben und derzeit die lukrative Opiumernte ansteht. Binnen zweier Tage mussten 40 bis 60 Sicherheitskräfte ihr Leben lassen. Auch die Flüchtlingszahl ist dadurch weiter gestiegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2016)

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