Hunderte vor Kreta in Seenot

LIBYA-MIGRANTS-ACCIDENT
LIBYA-MIGRANTS-ACCIDENT(c) APA/AFP/STRINGER
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Zum dritten Mal in dieser Woche rückte die Küstenwache vor Kreta wegen eines Flüchtlingsbootes zu einem Rettungseinsatz aus. In Libyen wurden mehr als 100 Leichen angespült.

Das Holzschiff hatte mindestens 400 bis 500 Flüchtlinge an Bord, vielleicht noch viel mehr. 75 Seemeilen (139 Kilometer) südlich von Kreta kenterte der Fischkutter. Ein vorbeifahrendes Schiff alarmierte die griechischen Behörden – ein Glück für die meisten der Menschen: Am Freitagnachmittag berichtete die griechische Küstenwache von vier Toten und 340 Geretteten, die Rettungsaktion war allerdings noch im Gang.

Zunächst war nicht klar, welche Nationalität die Flüchtlinge hatten und von welchem Hafen aus sie in See stachen. Es wurde jedoch vermutet, dass das Boot von Libyen oder Ägypten kommend Italien angesteuert hatte. Weitere Boote sind womöglich verunglückt: An der libyschen Küste wurden am Freitag die Leichen von mehr als 100 Menschen angespült. Es wird vermutet, dass sie Flüchtlinge waren. Doch Hintergründe dieser Tragödie blieben zunächst unklar.

In Griechenland ist das Schiffsunglück von Freitag nun schon der dritte Fall innerhalb einer Woche, bei dem die kretische Küstenwache ausrücken musste, um Flüchtlingen in Seenot zu helfen. Die anderen beiden Boote vor Kreta waren allerdings von der Türkei aus gestartet. Die Geretteten von Freitag wurden laut ersten Meldungen nicht nach Griechenland, sondern nach Italien, Ägypten oder Malta gebracht.

Keine Aufnahmeplätze

Kreta war bislang noch nicht in größerem Ausmaß von Flüchtlingsströmen betroffen. Auf der Insel existiert keine Lagerinfrastruktur. Das Migrationsministerium will zwar bis September die vor allem in Nordgriechenland und in Attika gebauten provisorischen Lager auflösen, um die 54.000 Flüchtlinge im ganzen Land zu verteilen, aber das ist bisher nur Zukunftsmusik.

Immer mehr eskaliert inzwischen die Lage auf den Ostägäis-Inseln Lesbos, Chios und auch Samos. Auf den drei Inseln halten sich etwa 6500 Flüchtlinge und Migranten auf, ein Teil davon muss laut dem EU/Türkei-Abkommen mit der Abschiebung rechnen.
In der Nacht auf Freitag kam es im geschlossenen Flüchtlingslager von Vathy auf Samos zu blutigen Auseinandersetzungen. Laut Giorgos Kyritsis, Sprecher des griechischen Koordinationsausschusses für Flüchtlinge, gab es 15 Verletzte, acht mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Erst am Vortag gab es auch im Lager Moria auf Lesbos Prügeleien mit Verletzten.

Die Hotspots machten ihrem Namen alle Ehre: In beiden Fällen wurden Zelte in Brand gesteckt. Die Feuerwehr rückte aus, die Polizei musste einschreiten. Bei den Krawallmachern handelte es sich offenbar um Gruppen, die wenig Chancen auf Asyl haben.

Migrationsminister Giannis Mouzalas zeigte Verständnis für die Migranten, deren Hoffnungen enttäuscht worden seien und die „mit Zorn“ reagierten. Er versicherte den Bürgermeistern der Inseln, dass der Staat das Problem unter Kontrolle habe und die Inseln sich bald leeren würden, wenn man am EU/Türkei-Deal festhalte. Doch auch in den vergangenen Tagen gab es keine Abschiebungen in die Türkei. Das liegt v. a. an der noch schleppenden Bearbeitung der Asylanträge. Auf Chios behinderten aufgebrachte Bürger den Transport von Containern in den Hotspot, die der Asylbehörde hätten dienen sollen, um Anträge zu bearbeiten.

Die Türkei – sicher oder nicht?

Es gibt starke Auffassungsunterschiede zwischen erstinstanzlicher Behörde und den Berufungskommissionen. So entschied die Asylbehörde in einer Reihe von Fällen, dass die Türkei ein „sicheres Drittland“ und eine Rückschiebung also möglich ist – doch häufig war die Berufungsinstanz anderer Meinung. Eleni Petraki von der Asylbehörde sagte der „Presse“: „Es wird jeder Fall individuell geprüft, es gibt kein fixes Muster.“ Aber auch, wenn ein positiver Bescheid ausgestellt wird, ist zwar das Verlassen der geschlossenen Lager möglich, aber nicht das Verlassen der Inseln.

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