Doskozil erwägt, Soldaten an serbisch-ungarische Grenze zu schicken

BM DOSKOZIL IN UNGARN: SIMICSKO / DOSKOZIL
BM DOSKOZIL IN UNGARN: SIMICSKO / DOSKOZILAPA/HBF/PUSCH
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Der Verteidigungsminister drängt auf Rückführungen nach Ungarn. Noch legt sich Budapest quer.

Budapest/Wien. Als Ungarn im September mit der Errichtung des heute drei Meter hohen Grenzzauns begonnen hat, ging ein Aufschrei durch Teile der Bundesregierung. Nun, neun Monate später, könnten österreichische Sicherheitskräfte – Polizisten oder Soldaten –  an jenen viel kritisierten Grenzzaun entsandt werden. Das bestätigte eine ranghohe Quelle im ungarischen Ministerpräsidentenamt der „Presse“, die in der Vorbereitung des gestrigen Besuchs von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) bei seinem Amtskollegen eingebunden war.

Demnach haben die Österreicher im Vorfeld in Budapest mit dem Vorschlag angeklopft, Sicherheitskräfte an die serbisch-ungarische Grenze zu schicken: „Sie sind mit dem Wunsch an uns herangetreten, wieder zu einer engen Kooperation zurückzukehren, wie sie vor Ausbruch der Flüchtlingskrise geherrscht hat“, sagte die Quelle.

Anfang 2015 waren österreichische und deutsche Sicherheitskräfte an der ungarisch-serbischen Grenze präsent. Sie wurden aber im Zuge des Streits um den Bau des Grenzzauns wieder abgezogen. In Ungarn ist man für die rot-weiß-rote Unterstützung naturgemäß offen. „Das müsste doch eigentlich Normalfall in Europa sein“, heißt es im Ministerpräsidentenamt. Ungarische Sicherheitskräfte sind an den Grenzen in Bulgarien sowie in Mazedonien im Einsatz, wo auch Österreicher stationiert sind.

Das ungarische Grenzregime ist umstritten, nicht nur wegen des Zauns. Pro Tag werden nur 30 Asylwerber legal ins Land gelassen, Hunderte sind in der Transitzone gestrandet. Fälle von Polizeigewalt gegen „Illegale“ sind dokumentiert. Österreich erwartet von Budapest, dass es auch Asylwerber nach Dublin III aufnimmt. Verteidigungsminister István Simicskó lehnte das ab: „Es ist eindeutig, dass Ungarn keine Migranten zurücknehmen wird und kann“, sagte er nach dem Gespräch mit Doskozil. Wobei Ungarn aus Deutschland Dublin-III-Fälle übernimmt. Beim Treffen der Verteidigungsminister gab es dann aber kein konkretes Angebot Doskozils zum Grenzschutz, wie das Verteidigungsministerium betonte.

Heftige Kritik an Dublin-System

Über die Balkanroute via Bulgarien kommen derzeit pro Tag rund 150 Menschen nach Österreich. 70 Prozent wurden zuvor in Ungarn registriert, das daher nach der Dublin-Richtlinie zuständig ist. Zwar verzichtet Österreich seit einem Gerichtsurteil auf Rückführungen nach Ungarn. Das soll sich aber wieder ändern.  Doskozil sieht das Dublin-System aber „sehr skeptisch“: „Es ist evident, dass Länder an der EU-Außengrenze nicht alle Verfahren führen können.“ 

Die Treffen in Budapest, auch mit Parlamentspräsident und Orbán-Vertrautem László Kövér, waren „ein Startschuss, um eine Gesprächsbasis zu schaffen“, sagt Doskozil-Sprecher Stefan Hirsch. Weil die EU „zu langsam“ sei, arbeite Österreich parallel an einer regionalen Organisation des Außengrenzschutzes. Neben Ungarn ist Slowenien an Bord. In den nächsten Wochen gibt es ein trilaterales Treffen der Verteidigungs- und Innenminister. Auch Rückführungen sollen wieder Thema sein. Mitte Juli wird es eine Neuauflage der Balkankonferenz geben. Beim letzten Mal wurde die Schließung der Westbalkanroute besiegelt. Diesmal ist Griechenland zumindest eingeladen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2016)

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