Brexit-Schockwelle in Down under

Australian Prime Minister Malcolm Turnbull speaks to the media during a news conference on the eve of Australia's federal elections in Sydney
Australian Prime Minister Malcolm Turnbull speaks to the media during a news conference on the eve of Australia's federal elections in SydneyREUTERS
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Die britische Protestwahl zog weite Kreise – bis hin zum australischen Wahlkampf. Premier Malcolm Turnbull setzte auf eine Angstkampagne und Kontinuität.

Wien/Canberra. Die Schockwellen des Brexit-Votums im Mutterland hatten just in der Endphase des Wahlkampfs auch das andere Ende der Welt erreicht. „Dies ist nicht die Zeit für eine Protestwahl“, warnte Premier Malcolm Turnbull die Australier vor der heutigen Wahl. Der 61-jährige Ex-Investmentbanker, Regierungschef der konservativ-nationalen Koalition, zeichnete ein Horrorszenario: „Die Alternativen wären Chaos, dysfunktionale Politik, höheres Defizit, höhere Schulden, höhere Steuern, weniger Investitionen und weniger Jobs.“ Seine Parole lautet „Kühler Kopf, ruhige Hand, starke Wirtschaft“, seine Vision heißt „Start-up-Australia“.

Der Einbruch der Rohstoffpreise hat zwar den Bergbau getroffen, die Wirtschaft weist allerdings ein robustes Wachstum von drei Prozent aus. Während Turnbulls Konservative eine Steuersenkung in großem Stil versprechen, hat Labor die Legalisierung der Homosexuellen-Ehe auf das Banner geschrieben. Der Klimawandel, die Gefährdung des Great Barrier Reef – des nationalen Kulturerbes – und die umstrittene Flüchtlingspolitik spielten nur am Rande eine Rolle.

Fünf Premiers in sechs Jahren

Turnbulls Herausforderer, Labor-Chef und Ex-Gewerkschaftsführer Bill Shorten, propagierte dennoch eine Abwahl des Premiers. Der Oppositionschef hat seine Partei nach den turbulenten Jahren der Führungskämpfe zwischen Kevin Rudd und Julia Gillard konsolidiert und einen Wahlkampf geschlagen, der Labor vorübergehend sogar an die Spitze brachte. Zuletzt dürfte sich das Pendel, auch unter dem Eindruck des Anti-EU-Referendums der Briten, indessen wieder zugunsten der Regierung gedreht haben.

Turnbull setzte auf eine Angstkampagne: „Wenn man keinen starken Grenzschutz hat, verlieren die Leute leicht den Glauben an das Einwanderungssystem und das gesamte multikulturelle Projekt Australiens.“ Im Wahlkampf-Finish schwang nicht zuletzt die Frage mit, ob die Australier neuerlich einen Wechsel im Amt des Premiers forcieren wollen – den sechsten binnen sechs Jahren. Tony Abbott, Ex-Priesterseminarist und Ex-Journalist, hatte vor nicht einmal drei Jahren mit einer dezidiert konservativen Agenda das Ruder in Canberra übernommen, ehe ihn sein Parteifreund Malcolm Turnbull im vorigen Herbst aus dem Amt putschte. Im Frühjahr rief der Premier schließlich Neuwahlen aus, um für klare Verhältnisse zu sorgen.

Womöglich könnte indes exakt das Gegenteil eintreten, eine Fragmentierung, die das traditionelle Zweiparteiensystem aufbrechen und die den Wahlsieger erst recht in eine ungeliebte Koalition zwingen könnte. Angeödet von der ewigen Konfrontation zwischen den Konservativen und Labor rechnen sich die Grünen, die neue Partei des unabhängigen Senators Nick Xenophon und rechtspopulistische Parteien Chancen auf Zugewinne aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2016)

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