Irak-Bericht: Britische Kriegsentscheidung war voreilig

Tony Blairs Entscheidung steht in Frage.
Tony Blairs Entscheidung steht in Frage.REUTERS
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Ex-Premier Blair habe die Folgen der Invasion unterschätzt. Das militärische Eingreifen sei nicht das "letztmögliche Mittel" gewesen, urteilte die Chilcot-Kommission.

Sieben Jahre nach ihrer Einsetzung legte die sogenannte Chilcot-Kommission heute ihren Bericht zur Rolle Großbritanniens an der US-geführten Invasion 2003 im Irak vor - und das Urteil ist vernichtend. Die politische Entscheidung sei gefallen, bevor alle "friedlichen Optionen für eine Entwaffnung" des Irak unter Machthaber Saddam Hussein ausgeschöpft worden seien, sagte Sir John Chilcot, der Vorsitzende der Untersuchungskommission. Das militärische Eingreifen sei damals "nicht das letztmögliche Mittel" gewesen, erklärte er.

Dennoch habe der damalige brtische Premier Tony Blair dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush Gefolgschaft versprochen, "was auch geschehen möge". Damit habe Washington und London die Autorität des UNO-Sicherheitsrats untergraben. Bis zu 46.000 britische Soldaten waren in Spitzenzeiten während des jahrelangen Konflikts und danach im Irak im Einsatz. Während des Krieges und der anschließenden Gewalt zwischen sunnitischen und schiitischen Milizen wurden Zehntausende Iraker getötet; auch 179 britische Soldaten starben im Einsatz.

Ex-Premier Blair sieht sich "entlastet"

Der frühere britische Premierminister Blair meinte hingegen in einer ersten Reaktion, er sehe sich durch den Untersuchungsbericht entlastet. „Dieser Bericht sollte Vorwürfe der Böswilligkeit, Lügen oder Täuschung endgültig ausräumen“, schrieb der frühere Labour-Politiker am Mittwoch. Er habe die Entscheidung, an der Seite der USA militärisch gegen den irakischen Machthaber Saddam Hussein vorzugehen, „in gutem Glauben“ getroffen und für das Beste für sein Land gehalten, so Blair in der von seinem Büro veröffentlichten Reaktion. „Ich werde für alle Fehler die volle Verantwortung übernehmen, ausnahmslos und ohne Ausrede“, schreibt Blair. 

Die Invasion in den Irak 2003 war heftig umstritten, weil sie nicht durch ein klares UNO-Sicherheitsratsmandat gedeckt war. Angebliche Massenvernichtungswaffen des damaligen irakischen Machthabers Saddam Hussein wurden nie gefunden. Diese Geheimdienstinformationen hätten in Frage gestellt werden müssen, betonte Chilcot. Blair habe sie als beweiskräftiger dargestellt, als gerechtfertigt gewesen sei. Bereits 2004 kam ein britischer Bericht zu dem Schluss, dass Blair die "Beweise" der Geheimdienste für angebliche Massenvernichtungswaffen im Parlament aufbauschte.

Keine Einschätzung über Legalität

Für die Nachkriegsphase gelte: "Trotz ausdrücklicher Warnungen wurden die Folgen der Invasion unterschätzt. Die Planungen und Vorbereitungen für einen Irak nach Saddam waren völlig unzureichend." Zugleich wies Chilcot die Behauptung Blairs zurück, dass die Probleme nach der Invasion nicht einzuschätzen gewesen seien.

"Die Untersuchungskommission hat keine Einschätzung darüber abgegeben, ob die Militäraktion legal war", sagte Chilcot vor Journalisten und einigen Hinterbliebenen von im Irak-Krieg Gefallenen. "Wir sind jedoch zum Schluss gekommen, dass die Umstände, unter denen entschieden wurde, dass es eine legale Basis für die Militäraktion gegeben habe, alles andere als befriedigend waren."

Bis heute wird der Irak von Gewalt erschüttert. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) konnte seit dem Sommer 2014 weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle bringen. Zwar wurde sie zuletzt militärisch stark zurückgedrängt, mit Anschlägen - auch in Europa - verbreitet sie dennoch weiterhin Angst und Schrecken. Erst in der Nacht auf Sonntag waren bei einem Selbstmordanschlag in der irakischen Hauptstadt rund 250 Menschen getötet und mindestens ebenso viele Menschen verletzt worden.

Im Jahr 2009 hatte der damalige Premierminister Gordon Brown den Beginn der Arbeit der Irak-Kommission bekanntgegeben. Wegen der Komplexität der Materie werde der Abschlussbericht aber erst in einem Jahr vorliegen - also 2010. Tatsächlich nahm die Untersuchung demnach sieben Jahre in Anspruch. Der Bericht soll 2,6 Millionen Wörter lang sein. Die Chilcot-Kommission befragte dafür Beteiligte und wertete geheime Dokumente aus.

(red.)

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