Terror in Dallas: "Ich will weiße Polizisten töten"

Dallas Police respond after shots were fired at a Black Lives Matter rally in downtown Dallas
Dallas Police respond after shots were fired at a Black Lives Matter rally in downtown DallasREUTERS
  • Drucken

Attentäter erschossen während einer Demonstration gegen Rassismus fünf Beamte. Hass auf die Polizei und Weiße trieb sie an.

Washington. Der Protestzug gegen Polizeigewalt hatte bereits begonnen, sich aufzulösen, seine rund 800 Teilnehmer zerstreuten sich nach und nach in den abendlichen Straßen des Stadtzentrums von Dallas, als plötzlich ein Kugelhagel auf die rund 100 anwesenden Polizisten niederging. Fünf Beamte starben, sieben weitere wurden schwer verletzt, ebenso wie zwei Zivilisten.
Rasch wurde klar, dass mehrere Schützen von verschiedenen, erhöhten Positionen auf umliegenden Häusern feuerten. Einer der Attentäter verschanzte sich in einer Parkgarage und verwickelte die anrückenden Sicherheitskräfte in ein Feuergefecht, bei dem ein weiterer Polizist umkam. Bis um halb zwei Uhr in der Früh versuchten die Sicherheitskräfte, ihn zum Aufgeben zu bewegen. Dann taten sie etwas, was es nach derzeitigem Stand der Informationen in den USA noch nie gegeben hatte: Sie packten eine Sprengladung auf einen Roboter, der für gewöhnlich zur Entschärfung von Bomben eingesetzt wird, und töteten den Attentäter mit einer gezielten Explosion.

(c) Die Presse

Am Freitag sickerte die Identität des Mannes durch. Es handelt sich laut „Los Angeles Times“ um den 25-jährigen Micah Xavier Johnson aus Dallas. Er sei schwarz, habe keine Vorstrafen und sei bisher in terroristischer Hinsicht nicht aufgefallen. Der 25-jährige gelernte Maurer diente laut Pentagon von November 2013 bis Juli 2014 bei den US-Truppen in Afghanistan. Nach seiner Rückkehr soll er im Reservestand gewesen sein. Die Behörden durchsuchten am Freitag das Haus seiner Familie. Drei weitere Verdächtige wurden festgenommen.

Was Johnson während der mehrstündigen Verhandlungen mit den Sicherheitskräften von sich gab, verleiht dem seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen mehrheitlich weißen Polizisten und schwarzen Bürgern eine bedenkliche neue Drastik: Er sei über die Erschießung schwarzer Männer durch die Polizei erzürnt, soll Johnson laut dem Polizeichef von Dallas, David Brown, gesagt haben. Er sei aber auch erzürnt über die „Black Lives Matter“-Bewegung, die diesen Missstand mit Demonstrationen zu beheben versucht. „Ich will Weiße töten, ich will weiße Polizisten töten!“, habe er gerufen.



Nachdem diese Woche die Erschießungen zweier schwarzer Männer durch Polizeibeamte in Baton Rouge, Louisiana, und Falcon Heights, Minnesota, zu Protesten in vielen US-Städten geführt haben, droht nun eine Verschärfung der bisher mehrheitlich gewaltfreien gesellschaftlichen Auseinandersetzung über Polizeigewalt und Rassismus. „Bürgerkrieg“ titelte das Boulevardblatt „New York Post“. „Das ist der Beginn des destabilisierenden Obama/Soros-Rassenkrieges“, verkündete der Betreiber der rechtsparanoiden Internetplattform infowars.com, Alex Jones – ein Mann, dem Donald Trump im Zuge seiner Präsidentschaftskampagne versprach, stets zu ihm zu stehen.

Trump selbst gab sich verhältnismäßig gemäßigt. „Wir müssen Recht und Ordnung wiederherstellen. Wir müssen das Vertrauen unserer Leute darin wiederherstellen, dass sie zu Hause und auf der Straße sicher sind. Die sinnlosen, tragischen Tode zweier Menschen in Louisiana und Minnesota erinnern uns daran, wie viel mehr getan werden muss“, teilte er auf Facebook mit.

„Wie würden Sie sich fühlen?“

Präsident Barack Obama verurteilte den Mordanschlag am Rande des Nato-Gipfels in Warschau. „Es gibt keine wie auch immer geartete Rechtfertigung für diese Angriffe oder jedwede Gewalt gegen die Sicherheitskräfte.“ Tags zuvor hatte er die Erschießungen von Alton Sterling am Dienstag in Louisiana und von Philando Castile am Mittwoch in Minnesota zum Anlass genommen, einmal mehr an die Vernunft und das Einfühlungsvermögen der Amerikaner zu appellieren. „Ich bitte die Leute, einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen: ,Was wäre, wenn das jemandem aus meiner Familie passierte? Wie würde ich mich fühlen?‘ Über diese Dinge besorgt zu sein, ist keine politische Korrektheit, sondern es heißt, amerikanisch zu sein und unsere höchsten Ideale erreichen zu wollen.“
Obama mahnte erneut, die Polizeikräfte in Techniken zur Deeskalation bei Amtshandlungen zu schulen, ein besseres Vertrauensverhältnis zu den Gemeinden zu schaffen, für deren Sicherheit sie verantwortlich sind, und bei der Nachbesetzung von Stellen gezielt nach schwarzen und hispanischen Bewerbern zu suchen.

Anschlag auf Vorzeigebehörde

Doch der Anschlag auf die Polizisten von Dallas zeigt, dass dies kein Allheilmittel zur Schaffung eines friedlichen, respektvollen Verhältnisses ist. Die „Dallas Morning News“ schilderten bereits im Vorjahr, wie die örtliche Behörde binnen weniger Jahre zu einem Modell aufgeklärter, fortschrittlicher Polizeiarbeit wurde. Als Folge gezielten Trainings sanken die Beschwerde in den Jahren 2009 bis 2014 um 64 Prozent. Gleichzeitig sank die Mordrate von Dallas, das seit Jahren von den Demokraten regiert wird, auf den tiefsten Stand seit mehr als 80 Jahren. 2012 wurden in Dallas 23 Menschen von Polizisten erschossen, zuletzt nur noch elf.
Dieser Fortschritt ist Polizeichef David Brown zuzuschreiben. Brown ist übrigens schwarz. „Wir spüren an den meisten Tagen nicht viel Unterstützung“, sagt er. „Lassen Sie heute nicht so wie die meisten Tage sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Obama bezeichnete die Attacke als "feige".
Außenpolitik

Baton Rouge: Schütze warnte vor Ausrottung von Schwarzen

Der 29-jährige Irak-Veteran erschoss drei Polizisten, ein weiterer schwebt in Lebensgefahr. Er hatte nach seiner Rückkehr offenbar Probleme, Fuß zu fassen.
Police officers block off a road after a shooting of police in Baton Rouge
Außenpolitik

Erneut Schüsse auf US-Polizisten – drei tot, mehrere verletzt

Die Beamten wurden offenbar mit einem Notruf zum Tatort gelockt. US-Präsident Obama mahnt zur Einigkeit: "Das ist schon zu oft geschehen."
Obama delivers remarks on the police shootings in Dallas after meeting with EU leaders at the NATO Summit in Warsaw, Poland
Außenpolitik

Obama beschwört nach Gewalt die Einheit der Nation

Der Präsident sieht USA „nicht so gespalten, wie einige es darstellen“. Attentäter von Dallas plante noch größere Anschläge.
US-CRIME-POLICE-SHOOTING
Außenpolitik

Polizei: Todesschütze von Dallas plante noch größere Attacke

Der Polizeichef von Dallas spricht von Hinweisen auf weitere Vorhaben im Tagebuch des Attentäters und von einem Sprengstofffund in dessen Wohnung.
Polizeichef David Brown muss den Tod seiner Kollegen in Dallas betrauern.
Außenpolitik

Ausgerechnet Dallas: Die Stadt mag ihre Polizisten

Polizeichef David Brown hat viel für den guten Ruf der Polizei in der Stadt getan und aus Fehlern der Kollegen etwa in Ferguson gelernt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.