Ab Mittwoch ist Theresa May britische Premierministerin

Archivbild. Theresa May vor ihrem künftigen Amtssitz, der Downing Street Nr 10 in London.
Archivbild. Theresa May vor ihrem künftigen Amtssitz, der Downing Street Nr 10 in London.(c) APA/AFP/LEON NEAL (LEON NEAL)
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Andrea Leadsom wirft das Handtuch. Damit steht fest, Theresa May wird die Nachfolgerin des britischen Premiers David Cameron und das schon bald.

Und dann ging alles ganz schnell. Um 13.15 Uhr mitteleuropäischer Zeit trat Andrea Leadsom vor die Presse in London. Sie wird sich aus dem Rennen um das Amt der Parteivorsitzenden der Tories und damit des Premierministeramtes zurückziehen. Damit war der Weg für die im Vorhinein favorisierte Innenministerin Theresa May an die Partei- und Regierungsspitze frei. Der noch amtierende Premier, David Cameron, beschleunigte daraufin die Übergabe. Mittwochabend werde May sein Amt übernehmen, kündigte er an. Sie habe dabei seine volle Unterstützung, sagte der konservative Politiker am Montag. Am Dienstag wolle Cameron seine letzte Kabinettssitzung leiten, Mittwoch biete er Königin Elizabeth II. seinen Rücktritt an, sagte Cameron.

Leadsom sagte, sie habe nicht ausreichend Untersützung verspürt, um eine starke und stabile Regierung anzuführern. Es sei im Interesse des Landes, rasch einen neuen Premierminister zu küren. Konkurrentin Theresa May sei eine Idealbesetzung. Die Wirtschaft sowie die in Großbritannien lebenden EU-Migranten brauchten Klarheit, wie es weitergehe.

Boris Johnson, Ex-Bürgermeister von London und Gesicht des Brexit-Flügels der Tories, lobte May. Er habe keine Zweifel, dass May eine exzellente Parteiführerin und Premierministerin sein werde.

Eigentlich hätten die rund 150.000 Parteimitglieder der konservativen Tories in einer Urwahl über die beiden verbliebenen Kandidatinnen für die Nachfolge Camerons befinden sollen. Das Ergebnis der Mitglieder-Abstimmung sollte am 9. September verkündet werden.

Nach Leadsoms Rückzug war zunächst unklar, wie das weitere Prozedere bei den Tories aussehen könnte. Fraglich war, ob May automatisch die nächste Regierungschefin werden oder aber die Tory-Fraktion noch einen neuen Gegenkandidaten nachnominieren könnte.

Mays Kampagnenmanager Chris Grayling dankte Leadsom. Ihre Entscheidung zum Rückzug zeige, dass sie ein "eine wahre Staatsbürgerin" sei. "Wir wissen alle, dass Theresa alles tun wird, um unser Land für die kommenden Herausforderungen zu wappnen", sagte Grayling vor der versammelten Presse in London.

Der Abgeordnete Tim Loughton zeigte sich enttäuscht über Leadsoms Rückzug. Er macht "sehr persönliche Attacken" von Journalisten aber auch Parteikollegen dafür verantwortlich. Leadsom war am Wochenende in die Kritik geraten - sie soll angedeutet haben, dass May weniger für das Amt geeignet sei als sie selbst, weil die Ministerin keine Kinder habe. Die dreifache Mutter Leadsom äußerte sich nach dem entsprechenden Bericht der "Times" empört über die Darstellung und erklärte, sie habe in einem Interview mit der Zeitung "genau das Gegenteil" gesagt.

Es gibt aber auch erste Stimmen für eine Neuwahl aus der Opposition. "Großbritannien verdiene etwas besseres als dieses Tory-Flickwerk", sagte der Chef der Liberaldemokraten, Tim Farron. Es müsse Neuwahlen geben. Für May hat Farron keine netten Worte übrig. "Aus ihrer Zeit als Innenministerin wissen wir, sie ist spaltend, unliberal und berechnend", so Farron. Auch Barry Gardiner, im Schattenkabinett von Labour, findet, eine Neuwahl würde "Klarheit bringen".

Gegen den Brexit, kritisch der EU gegenüber

Die Innenministerin war von Anfang an als Favoritin für den Chefsessel gehandelt worden. Sie gilt als kühl, kompetent und neue "Eiserne Lady" der Tories. Im ersten Wahldurchgang erhielt sie 165 Stimmen der konservativen Parlamentarier - und damit weit mehr als ihre Konkurrenten. Die 59-Jährige warb vor dem Brexit-Referendum verhalten für den Verbleib in der Union, blieb aber EU-kritisch, was ihr jetzt zugutekommt. Sie hat angegeben, sich mit den Austrittsverhandlungen bis nächstes Jahr Zeit lassen.

Ihre einzige zuletzt verbliebene Konkurrentin Andrea Leadsom war bis zum EU-Votum wenig bekannt. Doch während der Kampagne für den Brexit erwarb sich die Energie-Staatssekretärin mit ihren sachlichen und durchdachten Argumenten Respekt.  Die Politikerin sieht den Austritt Großbritanniens aus der EU als große Chance für das Land. Wäre sie Premierministerin geworden, hätte sie mit den Austrittsverhandlungen aufs Tempo gedrückt.

May wäre die zweite Premierministerin in der Geschichte Großbritanniens. Von 1979 bis 1990 hatte Margaret Thatcher als Regierungschefin die Geschicke des Landes bestimmt. Cameron hatte nach dem historischen Brexit-Votum der Briten vom 23. Juni seinen Rücktritt bis zum Herbst angekündigt und den EU-Austritt Großbritanniens seinem Nachfolger überlassen.

Labour im Chaos

Und Labour? Die Arbeiterpartei kann das Chaos bei den Konservativen nicht nutzen. Während sich die Konservativen wieder ordnen, droht eine Kampfabstimmung um den Führungsanspruch bei Labour. Andrea Eagle hat die nötige Zustimmung von Unterhaus-Abgeordneten, um für den Parteivorsitz kandidieren zu können - 50 an der Zahl. Der wegen seines zurückhaltenden Kurses in der Brexit-Kampagne kritisierte Parteichef Jeremy Coryn kann selbst nur auf 40 Abgeordnete zählen. Während die Tories schon aufatmen können, stehen bei Labour schwere Zeiten bevor.

(Red./Ag.)

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