Theresa May verspricht ein "besseres Großbritannien"

Theresa May, Premierministerin in spe, will die Tories wieder zu einer breit aufgestellten Volkspartei machen.
Theresa May, Premierministerin in spe, will die Tories wieder zu einer breit aufgestellten Volkspartei machen. (c) APA/AFP/LEON NEAL
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Ihre Konkurrentin Andrea Leadsom zog zurück. Innenministerin Theresa May soll bereits am Mittwoch die Führung der Tories und der britischen Regierung übernehmen.

London. Die britische Innenministerin, Theresa May, wird schon am Mittwoch neue Premierministerin des Vereinigten Königreichs. Nach dem Rückzug ihrer Konkurrentin Andrea Leadsom gestern, Montag, berieten die völlig überraschten Gremien der konservativen Partei über die weitere Vorgangsweise. Der Vorsitzende des zuständigen Parteiausschusses, Graham Brady, stellte klar, dass es keine neue Suche nach einem Gegenkandidaten geben werde, betonte aber auch: „Wir sprechen nicht über eine Krönung, sondern den korrekten Verfahrensablauf.“

David Cameron machte wenig später klar, dass er schon am Mittwoch seine Ämter niederlegen werde. Am Dienstag wolle er seine letzte Kabinettssitzung leiten, Mittwoch biete er Königin Elizabeth II. seinen Rücktritt an, sagte Cameron. Damit scheint der Führungskonflikt bei den Konservativen beigelegt, der nach dem Brexit-Referendum am 23. Juni ausgebrochen war.

Und May selbst? Sie meldete sich kurz vor dem Parlament zu Wort, sie sei "geehrt und demütig", David Cameron nachzufolgen. Sie lobte ihren Vorgänger für die Führung der Tory-Partei und Leadsom für ihre "Größe", ihre Kandidatur zurückzuziehen. Sie wolle eine "positive Vision" für Großbritannien entwickeln, "wir werden ein besseres Großbritannien bauen"

Alle geloben May die Treue

Leadsom zog sich zurück, nachdem sie im Verlauf des Wochenendes wegen eines umstrittenen Interviews ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war. Darin hatte sie sich als besser qualifiziert für das Amt der Regierungschefin bezeichnet, weil sie im Gegensatz zu der kinderlosen Innenministerin May – dreifache – Mutter sei. Während Verteidiger von einer Medienhetze sprachen, drohten innerhalb der Partei bis zu 20 Abgeordnete, der Kandidatin für den Fall ihrer Wahl den Gehorsam zu verweigern.

In ihrer Rücktrittserklärung rief die Energie-Staatssekretärin nun die Tories auf, sich hinter May zu sammeln: „Was wir nun dringend brauchen, ist starke Führung.“ Die Vorwahl durch die 329 konservativen Parlamentsabgeordneten, bei der May 199 Stimmen bekommen hatte und Leadsom 84, hätten ihr gezeigt, dass sie „nicht genug Unterstützung für die Führung einer starken und stabilen Regierung“ habe. May hingegen sei „in der perfekten Position“, diese Aufgabe umgehend zu übernehmen.

„Brexit heißt Brexit“

Der Forderung nach einer möglichst raschen Ablöse des amtierenden Premiers, David Cameron, schloss sich sofort eine große Anzahl von führenden Politikern an. Justizminister Michael Gove, der sich selbst vergeblich um den Posten beworben hatte, erklärte: „Wir sollten nun so schnell wie möglich sicherstellen, dass Theresa May die Führung übernehmen kann.“ Der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson sagte: „Sie wird eine ausgezeichnete Partei- und Regierungschefin sein.“

Ironischerweise übernimmt nun nach dem Sieg der Brexit-Anhänger Leadsom, Gove und Johnson mit May eine EU-Befürworterin das Kommando in Downing Street 10. Die zweite Frau im Amt des britischen Premiers nach Margaret Thatcher wiederholte gestern aber in einer Grundsatzrede: „Brexit heißt Brexit, und es wird keinen Versuch geben, durch die Hintertür wieder beizutreten.“ Zugleich versprach sie: „Wir werden daraus einen Erfolg machen.“

Davon kann im britischen Alltag vorerst freilich nicht die Rede sein. Das Pfund und die Londoner Börse haben seit dem Referendum vom 23. Juni schwere Verluste erlitten. Mehrere Immobilienfonds verweigerten in der Vorwoche wegen der Volatilität der Märkte fällige Zahlungen. Firmen stellen Investitionen zurück, erstmals seit sieben Jahren steigt die Arbeitslosigkeit. Wenn Schatzkanzler George Osborne nun verspricht, „wir werden uns umso stärker der globalen Wirtschaft öffnen“, dann erinnert das an Pfeifen im dunklen Wald.

In ihrer Rede versprach May, dass ihre Regierung im Dienst der arbeitenden Menschen tätig sein werde. Die EU-Volksabstimmung hatte eine tiefe Spaltung der britischen Gesellschaft offengelegt. Von den Großparteien Tories und Labour enttäuschte Wähler verweigerten den Eliten in London in dem Referendum das Gehör und ließen sich auch von Warnungen vor den negativen Folgen eines EU-Austritts nicht beeindrucken.

Harte Haltung bei Immigration

Die Angelobung der neuen Premierministerin war ursprünglich für 9. September geplant gewesen. Ob die Beschleunigung des Zeitplans nun auch zu einem früheren Beginn der EU-Austrittsverhandlungen nach Artikel 50 führen wird, blieb vorerst offen. May hatte auf Vorgesprächen bestanden, die Brüssel aber bisher abgelehnt hat, ehe die formellen Verhandlungen eröffnet werden.

Zurückgerudert ist die bisherige Innenministerin zuletzt von ihrer harten Position, dass die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien nicht mehr automatisch gesichert seien, sondern nur im Gegenzug für eine gleichlautende Schutzerklärung für Briten in der EU. Der Schutz sei „selbstverständlich gegeben“, heißt es nun in ihrem Umfeld. Festhalten will May an ihrer harten Haltung zur Einwanderung: Die Zahl der Migranten wolle sie „von Hunderttausenden auf Zehntausende“ im Jahr reduzieren. Wenn Großbritannien nun in die Rezession stürzt, könnte sie dieses Ziel unfreiwillig schneller erreichen als geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

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