Österreicher in Nizza: "Wir hatten unheimliches Glück"

Grafik: Gregor Käfer
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Der 23-jährige Burgenländer Martin Wagner sah aus rund 300 Meter Entfernung, wie ein Lastwagen in Nizza gegen einen Menschen prallte. Der "Presse" erzählt er von den dramatischen Minuten.

Es hätte ein gemütlicher Abend werden sollen. Die Gruppe rund um Martin Wagner hatte gerade in der Innenstadt von Nizza zu Abend gegessen. Sie lachten, unterhielten sich, betrachteten das Feuerwerk anlässlich des französischen Nationalfeiertages. Und überlebten. „Wir hatten unheimliches Glück“, sagt der 23-jährige Student im Telefonat mit der „Presse“. Wären sie ein paar Minuten später aufgebrochen, hätten sie womöglich zu den mehr als 80 Opfern gezählt, die der weiße Lastwagen in den Tod riss. Oder zu den 18 Schwerverletzten.

„Wir gingen genau in die Richtung, aus der wenig später der weiße Lastwagen heranrasen sollte“, schildert Wagner. Da auf der Promenade aufgrund der Feierlichkeiten ein großes Gedränge herrschte und ein rasches Weiterkommen kaum möglich war, entschieden sie sich, die Straßenseite zu wechseln und in der Parallelstraße weiterzugehen. Da passierte es.

„Wir hörten Schreie, haben gesehen, dass alle um uns herum zu laufen, zu weinen begonnen haben“, sagt der gebürtige Burgenländer. Er drehte sich um und sah wie der Lastwagen auf einen Menschen prallte. „Wir waren etwa 300, maximal 500 Meter vom Ort des Schreckens weg. Der Lkw hat eine Person erwischt, die recht weit durch die Luft geflogen ist“, schildert Wagner. „Es war ein sehr unschöner Anblick.“

„Ein Österreicher war Ersthelfer“

Wagner studiert an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Gemeinsam mit neun weiteren Österreichern war er vor zwei Wochen in die südfranzösische Stadt Nizza gekommen, um im Zuge der „European Innovation Academy“ ein Konzept für ein Startup zu entwerfen. Er und seine Teammitglieder, unter denen sich zwei weitere Österreicher befinden, schaffen es in ihre Unterkunft. Bis auf den Schock sind alle unversehrt.

Und die anderen? „Wir haben telefoniert, versucht, alle zu erreichen, denn genau jener Abschnitt, in dem das Unglück passiert ist, ist jener, den die Academy-Teilnehmer sonst immer nützen.“ Gegen zwei Uhr Früh kam die Entwarnung: Die zehn Österreicher sind unversehrt. Doch nicht alle der 450 Teilnehmer am Startup-Programm, die aus 87 verschiedenen Nationen angereist sind. „Ein Österreicher war Ersthelfer und erzählte, dass ein Kollege sehr schwere Verletzungen erlitten hat“, so Wagner. Er sei ins Krankenhaus überstellt worden. Mehr wisse man zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

Frankreich und der 14. Juli

Jedes Jahr am 14. Juli feiert Frankreich seinen Nationalfeiertag. In Paris wird immer eine große Militärparade abgehalten, Fliegerstaffeln ziehen über die Champs-Élysées. Im ganzen Land finden Feiern statt.

Die Republik gedenkt mit dem Nationalfeiertag der Französischen Revolution: Am 14. Juli 1789 läutete der Sturm auf die Bastille das Ende des Absolutismus ein. Als Symbol gegen die Willkür des Königs stürmten die Bürger von Paris das Staatsgefängnis und befreiten die Gefangenen. Ein Jahr später kamen die Abgeordneten aller Departments und tausende Franzosen zusammen, um die Fête de la Féderacion, ein Versöhnungsfest, zu feiern. Seit 1880 ist der 14. Juli als offizieller Nationalfeiertag in Frankreich festgelegt.

Als symbolischer Akt wird auch das Attentat auf der Promenade des Anglais in Nizza gedeutet. Der bekannteste Leitspruch der französischen Revolution, „Freiheit, Gleicheit, Brüderlichkeit“, ist auch heute noch Wahlspruch der französischen Republik. Möglicherweise richtete sich der Terrorakt genau gegen diese Ideologie Frankreichs.

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