Luftwaffenchef: "Bin niemand, der einen Putsch plant"

Präsident Erdogan bei einer Begräbniszeremonie für Opfer des Putschversuchs in Istanbul.
Präsident Erdogan bei einer Begräbniszeremonie für Opfer des Putschversuchs in Istanbul.REUTERS
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Akin Öztürk dementiert eine Beteiligung am Putschversuch und beschuldigt Gülen-Anhänger. 13.000 Beamten und 8000 Polizisten wurden am Montag entlassen. Für alle Beamten gilt Urlaubssperre.

Der mutmaßliche Rädelsführer der Putschisten in der Türkei hat nach einem neuen Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu seine Beteiligung an dem Umsturzversuch dementiert. "Ich bin niemand, der einen militärischen Putsch plant und leitet", sagte Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk bei seiner Aussage bei der Staatsanwaltschaft laut Anadolu. "Ich weiß nicht, wer ihn geplant und wer ihn geleitet hat."

Öztürk sagte demnach weiter: "Meinen Erfahrungen nach denke ich, dass die parallele Struktur (des Predigers Fethullah Gülen) diesen militärischen Putschversuch durchgeführt hat. Aber ich kann nicht ermessen, wer innerhalb der Türkischen Streitkräfte diese Sache organisiert und realisiert hat. Was das betrifft, habe ich kein Wissen. Ich habe gegen diese Struktur (Gülens) sehr gekämpft."

Anadolu hatte kurz zuvor gemeldet, Öztürk habe seine Beteiligung bei der Aussage bei der Staatsanwaltschaft eingeräumt. Öztürk war nach der Niederschlagung des Putsches festgenommen worden. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Aus Regierungskreisen in Ankara wurde Öztürk am Montag als "der formale Anführer der Junta" bezeichnet worden. Der General gehörte bis zum Putschversuch dem Obersten Militärrat an.

Öztürk erschien vor dem Gericht in Ankara mit 26 anderen Generälen und Admirälen, die ebenfalls wegen ihrer mutmaßlichen Unterstützung des Putsches festgenommen wurden. Der Ex-Luftwaffenkommandant gilt als einer der Hauptbeschuldigten.

Insgesamt sind mehr als 100 Armee-Generäle und Admiräle wegen des Putschversuchs entlassen worden, berichtet Anadolu. Von den 112 Personen, seien 50 verhaftet worden. Gegen die anderen rund 60 Militärs laufen Untersuchungen.

Polizei und Beamten entlassen

Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei hat Regierungschef Binali Yildirim betont, dass man zwar "Rechnungen begleichen", sich dabei aber an die Gesetze halten werde. Zugleich fordert er die Bürger auf, Armee oder Soldaten nicht anzugreifen.

Laut Yildirim gab es bei dem versuchten Militärputsch 208 "Märtyrer". Dazu kommen hundert getötete Putschisten, sodass sich die Opferzahl derzeit auf 308 beläuft. Zuvor war von 290 Todesopfern die Rede gewesen. Zudem seien 1491 Personen verletzt worden.

Am Montag setzten Präsident Recep Tayyip Erdogan und Yildirim ihren harten Kurs fort. Nach Justiz und Militär traf es am Montag Polizei und Verwaltung. Yildirim erklärte, man entferne jene Beamten von ihren Posten, die Verbindungen zu der für den Putschversuch verantwortlichen Organisation hätten. Rund 13.000 Staatsbedienstete wurden suspendiert. Darunter seien 2.745 Justizbeamte sowie fünf Mitglieder des Hohen Rates der Richter und Staatsanwaltschaft (HSYK), so Yildirim. 

Yildirim verhängt eine Urlaubssperre für alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in der Türkei. Sie gilt bis auf weiteres. Wer bereits im Urlaub ist, muss ihn abbrechen. Betroffen davon sind mehr als drei Millionen Beamte und Angestellte.

Armee verkündet offizielles Ende des Putschversuchs

Die türkische Armee verkündete unterdessen das offizielle Ende des Putschversuchs. "Die türkischen Streitkräfte stehen unserem Staat und unserem erhabenen Volk zur Verfügung und sind nun im Dienst", hieß es in einer auf mehreren Fernsehsendern verlesenen Erklärung. "Die Verräter wurden neutralisiert noch bevor sie ihr Ziel erreichen konnten", hieß es weiter. Die Nato-Luftwaffenbasis Incirlik, die nach dem Putsch geschlossen worden war, öffnete am Sonntag wieder für Einsätze der US-geführten Anti-IS-Allianz. Allerdings kam es noch am Sonntag vereinzelt zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Putschisten.

International wächst indes die Kritik am Vorgehen Erdoğans. Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte, es gebe keinen "Blankoscheck" für "Säuberungsaktionen". Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte an, beim EU-Außenministerrat am Montag in Brüssel darauf drängen zu wollen, "dass Europa Erdoğan ganz klare Grenzen aufzeigt". "Denn der gescheiterte Putsch darf kein Freibrief für Willkür sein." In Deutschland sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, Erdoğan "missbraucht den gescheiterten Putsch als Vorwand, um den türkischen Staatsapparat von Gegnern der AKP zu säubern".

In Kürze

Teile der türkischen Armee hatten am Freitag einen Putsch gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan gestartet, der jedoch schon in der Nacht zusammenbrach. 290 Menschen wurden bei den nächtlichen Gefechten getötet, mehr als 1400 Menschen sind verletzt worden. Erdoğan antwortete mit "Säuberungen" auf den Putsch: Laut offiziellen Angaben wurden mehr als 2800 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen und mehr als 2700 Richter abgesetzt.

Am Sonntag protestierten zehntausende Menschen in türkischen Großstädten gegen die Putschisten. Sie waren damit wiederholten Aufforderungen Erdoğans gefolgt, der auf Twitter geschrieben hatte: "Aufhören gilt nicht, Weggehen gilt nicht. Wir lassen die Plätze nicht leer."

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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