Großbritannien erneuert seine Atomstreitmacht

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Archivbild.(c) APA/AFP/ANDY BUCHANAN
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Der Bau von vier strategischen U-Booten der neuen Successor-Klasse mit je bis zu 40 thermonuklearen Sprengköpfen ist fix. Das Ja dafür im Parlament geriet für Labour-Chef Jeremy Corbyn zur schweren Niederlage.

Wien/London. Großbritannien wird eine strategische Atommacht bleiben und sein Arsenal durch ein milliardenschweres Programm sogar noch modernisieren: In der Nacht auf Dienstag sagte das Parlament "Yes" zum Bau vier strategischer Atom-U-Boote der Successor-Klasse. Sie sollen ab Ende der 2020er-Jahre die vier Boote der Vanguard-Klasse ablösen, deren erstes seit 1993 für die Royal Navy fährt, und wohl je acht Interkontinentalraketen mit je fünf Atomsprengköpfen tragen.

Der Beschluss erfolgte mit 472 zu nur 117 Stimmen, dagegen waren vor allem Schottlands Nationalpartei und kleine Teile von Labour. Für den schwächelnden Chef von Labour, Jeremy Corbyn, war das Votum indes ein absehbarer Torpedotreffer am eigenen Schiff: Er hatte mit dem Kampf für eine atomwaffenfreie Welt und sonst für den Frieden geworben, gesagt, dass er nie den Einsatzbefehl für Nuklearwaffen geben würde. Und sich oft recht unkritisch antimilitärisch gegeben.

Der "naive Pazifist"

So stellte er sich aber gegen die herrschende Meinung seiner eigenen Partei, wo der wirklich linke Linke oft als „naiver Pazifist“ gilt. Justament Labour-Premier Tony Blair hatte ab 2006 die nuklearstrategische Modernisierung des Landes politisch mitangeschoben. Seither hat das Parlament dem auch mehrfach prinzipiell zugestimmt.

Die neue konservative Premierministerin, Theresa May, sagte, sie würde wenn nötig einen nuklearen Einsatzbefehl geben: „Wir stehen verschiedenen Bedrohungen gegenüber und müssen jeder begegnen können.“ Ohne Atomwaffen verlöre man weiter weltweit an Einfluss, auch andere Länder bauten deren Arsenale aus. Das Successor-Programm erhalte und schaffe übrigens 30.000 Jobs.

Das Design der Boote (führender Erbauer ist BAE Systems) soll jenem der Vanguards und der ebenfall atombetriebenen Jagd-U-Boote der Astute-Klasse folgen, samt Reaktoren eines US-Typs diesmal, weil es mit den älteren englischen Maschinen Probleme gebe, wie es heißt.

Kosten: umgerechnet 50 Milliarden Euro, mehr als eine Verdoppelung der Schätzungen von 2006. Kritiker setzen die Kosten naturgemäß weit höher an, nicht inkludiert sind jene für den Betrieb. Und nicht die der Atomwaffen: Aber das ist kaum relevant bzw. in Wahrheit kaum schätzbar. Die von den USA sowieso "nur" geleasten Trident-II-D5-Raketen (8000 bis über 12.000 km Reichweite) werden nämlich von den bestehenden Vanguard-Booten hinüber in die Successor-Klasse übernommen.

Sie sind für acht bis zwölf individuell gesteuerte Sprengköpfe konstruiert, jedes Vanguard-Boot kann 16 Raketen tragen, also 192 Sprengköpfe. Die Briten beschränken sich dabei seit 2010 auf acht Raketen mal fünf Köpfen. Diese in England selbst gebauten W76-Wasserstoffbomben haben eine Sprengkraft von jeweils 100 Kilotonnen TNT (Hiroshima-Bombe: etwa 13 kT), was im objektiven Vergleich eher mäßig ist. Sie sind überdies auf weit schwächere Werte bis hinab auf Unter-Hiroshima-Klasse und noch auf 0,3 Kilotonnen einstellbar. Das soll substrategische Einsätze ermöglichen, also folgenarme Schläge gegen kleine Ziele und reine Machtdemonstrationen.

Kleinste offizielle Atommacht

Mit 200 bis 220 Sprengköpfen ist Großbritannien die kleinste der fünf offiziellen Atommächte und hat seit 1998 nur noch ein U-Boot-gestütztes Arsenal. Zentrum ist die Basis Clyde bei Faslane, Schottland. Die Royal Navy betont, dass seit 1969, beginnend mit HMS Resolution, stets mindestens ein strategisches U-Boot einsatzbereit auf See war. Die vier Vanguard-Boote lösen einander dabei ab (siehe Grafik).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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