May bei Merkel: Pastoren-Töchter sprechen über Brexit

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) hat am Mittwoch die neue britische Premierministerin Theresa May empfangen. Die beiden Regierungschefinnen schüttelten sich die Hand und schritten am Kanzleramt in Berlin die militärische Ehrenformation ab.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) hat am Mittwoch die neue britische Premierministerin Theresa May empfangen. Die beiden Regierungschefinnen schüttelten sich die Hand und schritten am Kanzleramt in Berlin die militärische Ehrenformation ab.APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Die britische Premierministerin Theresa May wurde erstmals in Berlin von Angela Merkel empfangen. Hauptthema war der Austritt Großbritanniens aus der EU.

London. Die neue britische Premierministerin, Theresa May, lässt nichts anbrennen. Nach ihrer ersten Fragestunde im Parlament reiste sie am Mittwoch zu einem Arbeitsessen mit der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, nach Berlin. Sie wolle konstruktiv mit Deutschland und anderen EU-Ländern zusammenarbeiten, so May, um Großbritannien „geordnet“ aus der EU zu führen. Am Donnerstag wird die Britin in Paris Frankreichs Präsident, François Hollande, aufsuchen.

Seit ihrem Aufstieg in das höchste politische Amt Großbritanniens wurde May wiederholt mit Merkel verglichen. Beide sind Töchter protestantischer Geistlicher und zeichnen sich durch einen hohen Sinn für den Dienst am Gemeinwesen aus. Beide stehen an der Spitze von konservativen Parteien, haben aber keine Berührungsängste, sich im Angebotskatalog der politischen Opposition zu bedienen. „Es geht darum, den Job zu erledigen“, lautet das pragmatische Credo Mays, das ohne Zweifel auch von Merkel unterschrieben werden könnte.

„Gemeinsame Werte“

Zu besprechen gibt es zwischen May und ihren Partnern nur eines: die Umsetzung der britischen Entscheidung, die EU zu verlassen. Dabei will sich London Zeit lassen, vor Ende des Jahres wird May den Antrag auf Austritt nicht stellen. Auch Merkel sagte am Mittwoch, dass sich Großbritannien erst im Klaren darüber sein muss, welche Beziehung das Land zur EU künftig will. Anschließend könnten die Brexit-Verhandlungen beginnen. Eng miteinander verbunden werde man aber trotz Brexit bleiben, sagte die deutsche Kanzlerin: „Wir teilen gemeinsame Werte.“

Mit ihren Besuchen macht May zudem klar, dass sie in den Brexit-Verhandlungen auf Vereinbarungen mit anderen Regierungen setzen wird, während die EU-Institutionen bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen sollen. „Ich möchte mit diesen Besuchen die Bedeutung der bilateralen Beziehungen unterstreichen, nicht nur jetzt, sondern auch nach unserem Austritt aus der EU“, wurde May zitiert.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sandte May in der Vorwoche „wärmste Glückwünsche zum Amtsantritt mit der Bitte um baldige Gespräche“. Auf eine offizielle Antwort wartet Brüssel immer noch. Fast so komplex wie die Brexit-Verhandlungen sein werden, gestalten sich dieser Tage die innerparteilichen Konvulsionen der oppositionellen Labour Party. Nach Wochen heftiger Auseinandersetzungen einigten sich die Gegner von Parteichef Jeremy Corbyn nun auf den walischen Abgeordneten Owen Smith als Herausforderer um den Vorsitz. „Worum es geht, ist, die Macht zu erringen und auszuüben“, sagt der 46-Jährige, der Corbyn vorwirft, für die Mehrheit der Briten nicht wählbar zu sein.

Corbyn schwer zu stürzen

Den umstrittenen Parteichef zu stürzen wird allerdings harte Arbeit sein. Zwar sind die Corbyn-Gegner dank des Rückzugs der Abgeordneten Angela Eagle zugunsten von Smith nun geschlossen. Anders als unter der Parlamentsfraktion hat aber Corbyn unter den Parteimitgliedern eine klare Mehrheit. Allein in den vergangenen Tagen haben sich über 50.000 Menschen neu registrieren lassen und die Gebühr von 25 Pfund entrichtet, um den neuen Labour-Chef wählen zu dürfen. Die meisten, wird vermutet, sind Corbyn-Anhänger.

Während der Parteichef zu einem „kameradschaftlichen Wettbewerb“ aufrief, wird der Sommer eine harte öffentliche Auseinandersetzung für Labour bringen. Die militante Linke mobilisiert für Corbyn und ist in der Wahl ihrer Mittel nicht zurückhaltend. Ziegelsteine wurden bereits geworfen und Todesdrohungen ausgesprochen.

Die Registrierung für die Wahl des neuen Labour-Chefs schloss gestern Abend, das Wahlergebnis wird am 24. September feststehen. Mindestens bis dahin kann sich May ungestört dem Brexit widmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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