Die Republikaner demontieren sich selbst

Republican U.S. presidential nominee Donald Trump applauds during the third night of the Republican National Convention in Cleveland
Republican U.S. presidential nominee Donald Trump applauds during the third night of the Republican National Convention in Cleveland(c) REUTERS (BRIAN SNYDER)
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Präsidentenkandidat Donald Trump spricht den USA die globale Führungsrolle ab und würde Nato-Staaten nicht bedingungslos gegen Russland verteidigen. Sein parteieigener Erzfeind Ted Cruz verweigert ihm die Unterstützung.

Cleveland. Als wäre das heurige Parteitreffen der Republikaner in Cleveland nicht bereits während seiner ersten beiden Tage aus dem Ruder gelaufen, offenbarte sich am dritten und vorletzten Tag die schwere persönliche und weltanschauliche Zerrüttung der Partei.

Das Ungemach begann mit der Rede des texanischen Senators Ted Cruz. Er hatte sich am längsten mit Trump duelliert, elf Vorwahlen gewonnen und jene evangelikalen Christen sowie klassischen Konservativen hinter sich geschart, denen die weltanschauliche Beliebigkeit und der persönliche Lebensstil des in dritter Ehe lebenden Trump zuwider sind. Die Abneigung zwischen den beiden Männern ist abgrundtief: Trump hatte Cruz' Ehefrau Heidi als hässlich beleidigt und das haltlose Gerücht in die Welt gesetzt, Cruz' auf Kuba geborener Vater sei 1963 am Mordanschlag auf Präsident John F. Kennedy beteiligt gewesen.

„Cruz hätte seine Werte verraten“

Sollte Trump erwartet haben, dass Cruz ihm trotzdem auf dem Parteitreffen seine Unterstützung aussprechen würde, hätte er eine blamable Enttäuschung erlebt: „Wählt nach eurem Gewissen, für Kandidaten, die eure Ansichten und Werte vertreten“, rief er den Delegierten unter lauten Buhrufen der Anhänger Trumps und Jubel seiner eigenen Fans zu. Rasch kam es zu tumultartigen Szenen, Heidi Cruz musste unter Personenschutz aus der Quicken Loans Arena eskortiert werden, nachdem einige Trump-Anhänger gewalttätig zu werden drohten.

Auch am Tag darauf lag eine Versöhnung der beiden Kontrahenten in weiter Ferne. „Ich habe nicht die Angewohnheit, Leute zu unterstützen, die meine Frau und meinen Vater angreifen“, sagte Cruz Donnerstagfrüh bei einer Aussprache mit seiner Delegation.

Seine Anhänger jedenfalls waren über Cruz' Widerstand ebenso erfreut, wie sie über Trumps Kandidatur erzürnt waren. „Das hatte Klasse, ich war wirklich beeindruckt“, sagte Ron Kellar, ein Delegierter aus Washington State, zur „Presse“, die Stimme noch immer heiser nach den Schreiduellen auf dem Parkett. „Cruz hätte seine Werte verraten, wenn er Trump unterstützt hätte. Donald Trump ist der einzige Kandidat, den Hillary Clinton schlagen kann. Er ist keine ernsthafte Person. Mir reicht es mit der Republikanischen Partei.“

Die wesentlich folgenreichere Begebenheit entspann sich allerdings abseits dieses Scharmützels. Während Cruz' Ansprache sickerte ein Interview über die sozialen Medien an die Öffentlichkeit, das Trump ebenfalls am Mittwoch der „New York Times“ gegeben hatte. Darin erklärt Trump jenen sicherheits- und außenpolitischen Grundkonsens für obsolet, in dem sich demokratische und republikanische Präsidenten seit Ende des Zweiten Weltkriegs ungeachtet aller sonstigen Verschiedenheiten stets einig waren.

„Vorort von St. Petersburg“

Trump lehnte die bedingungslose gegenseitige Beistandspflicht des Nato-Vertrags im Fall eines Angriffs auf ein Mitglied ab. „Wenn wir nicht vernünftig für die enormen Kosten des Schutzes für diese Nationen entschädigt werden“, drohte Trump, „dann bin ich absolut bereit, diesen Ländern zu sagen: Gratuliere, ihr werdet euch selbst verteidigen.“ Auf die Nachfrage, welchen Schutz sich die drei baltischen Staaten vor unverhohlenen militärischen Drohungen des Kreml erhoffen dürfen, reagierte Trump mit einer Gegenfrage: „Haben die ihre Verpflichtungen uns gegenüber erfüllt?“ In einem Interview mit CBS News legte Trumps Konfident Newt Gingrich, der einstige Sprecher des US-Abgeordnetenhauses, nach: „Estland liegt in den Vororten von St. Petersburg. Ich bin nicht sicher, ob ich einen Atomkrieg riskieren würde.“

Trump lobte in seinem Interview auch die harte Linie des türkischen Präsidenten Erdoğan, sagte, „Putin und ich werden gut miteinander auskommen“, und sprach den USA die globale Führungsrolle ab: „Wenn die Welt schaut, wie schlimm es in den Vereinigten Staaten ist, und wir dann herumgehen und über bürgerliche Freiheiten reden, denke ich nicht, dass wir ein guter Bote sind.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2016)

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