Südafrika: Schallende Ohrfeige für den ANC

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SAFRICA-POLITICS-ELECTIONS-VOTE(c) APA/AFP/GIANLUIGI GUERCIA
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Die Regierungspartei hat bei der Kommunalwahl die schwersten Verluste ihrer Geschichte erlitten. In den Großstädten muss sie womöglich auf der Oppositionsbank Platz nehmen.

Pretoria/Wien. Als sich nichts mehr leugnen ließ, versuchte Vizepräsident Cyril Ramaphosa zu beschwichtigen. „Wir sind keine arrogante Partei“, versicherte er am Freitagnachmittag mit Blick auf den Afrikanischen Nationalkongress (ANC), der Südafrika seit dem Ende der Apartheid vor 22 Jahren bisher unangefochten regiert hat. „Wir werden auf die – lokalen und stillen – Botschaften unseres Volkes sehr genau hören.“ Kurz zuvor hatte die allmächtige Regierungspartei bei den Kommunalwahlen von ihrer Niederlage in einer der wichtigsten Regionen des Landes erfahren: Ausgerechnet in der Metropolgemeinde Nelson Mandela Bay, benannt nach dem großen Freiheitshelden und Gründer des ANC, musste sie sich mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Mit einem Vorsprung von fünf Prozentpunkten und insgesamt 46,5 Prozent hatte dort die größte Oppositionspartei, die Demokratische Allianz (DA), die Nase vorn. Port Elizabeth wird künftig von einem weißen Bürgermeister regiert.

Verluste in den Großstädten

In Pretoria, der Hauptstadt, führte die DA am Freitagnachmittag nach mehr als 80 Prozent ausgezählter Stimmen knapp mit 43,5 Prozent. In der Wirtschaftsmetropole Johannesburg lagen die beiden Parteien mit jeweils rund 42 Prozent Kopf an Kopf – aber schon das war eine Ohrfeige für den ANC: Bei der Wahl 2011 hatte die Partei noch souverän über 55 Prozent eingefahren. Auch in anderen Kommunen verlor der ANC die absolute Mehrheit.

Landesweit fiel die Partei mit 54 Prozent zum ersten Mal auf unter 60 Prozent. In der Westkap-Provinz mit der Metropole Kapstadt, dem Sitz des Parlaments, konnte die DA ihre Machtbasis weiter ausbauen. Dort regiert die ehemals als „Partei der Weißen“ geltende Allianz seit Jahren, seit Mai 2015 hat sie mit Mmusi Maimane aber erstmals einen schwarzen Parteichef.

Seit 2004, als der ANC bei der Parlamentswahl auf fast 70 Prozent kam, ist die Zustimmung für die Partei kontinuierlich gesunken. Diese Entwicklung war auch insofern erwartet worden, als inzwischen eine Generation wahlberechtigt ist, die die Apartheid gar nicht mehr erlebt hat. Doch die teilweise dramatischen Verluste – in Johannesburg etwa von gut einem Viertel der Wähler – hat der ANC vor allem dem Parteichef, Jacob Zuma, zuzuschreiben.

Der Präsident taumelte von einem Korruptionsskandal zum nächsten, was ihm auch Parteifreunde übelnehmen. So ließ er seine luxuriöse Privatresidenz mit Steuergeldern sanieren (die er nun zurückzahlen muss). Der einflussreiche Gupta-Clan, eine mit Zuma befreundete Unternehmerfamilie, soll sogar bei Ministerposten mitentschieden haben. Die von Vizepräsident Ramaphosa genannte Arroganz ist genau der Eindruck, den viele Wähler von der Regierungspartei haben. Gut möglich, dass die innerparteilichen Forderungen nach einem Rücktritt Zumas noch vor den nächsten Wahlen im Jahr 2019 lauter werden.

Landesweit ist Zumas Popularität unter der schwarzen Bevölkerung mit 27 Prozent (Februar) auf ein Rekordtief gesunken. Zum Vergleich: Im März 2015 hielten ihm noch 43 Prozent die Stange.

Hohe Arbeitslosigkeit

Zusätzlich genährt wird der Frust der Bevölkerung durch die desolate Wirtschaftslage und das weit verbreitete Gefühl, dass die Regierung dem nicht viel entgegensetzen kann oder will. Die Arbeitslosenrate liegt offiziell bei 27 Prozent, wird aber höher geschätzt.

Eine persönliche Niederlage für Zuma stellt auch das Ergebnis in seinem Heimat-Wahlbezirk Nkandla dar: Dort gewann der Kandidat der rivalisierenden Inkatha Freedom Party (IPF). DA-Sprecher Phumzile Van Damme ätzte auf Twitter: „Jacob Zuma wird nach Hause in einen vom IPF geführten Wahlkreis kommen, in das Parlament in einer von der DA geführten Stadt gehen (Kapstadt) und in einer wahrscheinlich von der DA regierten Hauptstadt arbeiten.“

DA-Parteichef Mmusi Maimane erklärte die Wahl zu einem Wendepunkt für die politische Zukunft des Landes. Mit der schwindenden Dominanz des ANC müssen sich die Parteien nun aber auch darauf einstellen, Koalitionen zu bilden, um regieren zu können – was in Südafrika keine Tradition hat. In diesem Zusammenhang könnte der linksradikalen Partei Economic Freedom Fighters (EFF) von Ex-ANC–Jugendführer Julius Malema mancherorts eine Rolle als Königsmacher zukommen – zum Beispiel in Pretoria und Johannesburg. Landesweit kam die umstrittene Gruppierung, die sich zum ersten Mal einer Kommunalwahl stellte, auf rund acht Prozent. (raa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2016)

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