Demonstration in Istanbul: Erdoğan feiert seine Macht

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TURKEY-MILITARY-POLITICS-COUP-RALLYAPA/AFP/OZAN KOSE
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Hunderttausende folgten dem Ruf des Staatschefs zu einer Massenkundgebung. Weiter Uneinigkeit in der EU.

Istanbul. Der Yenikapi-Platz in Istanbul verwandelte sich am Sonntag in ein Meer aus Rot. Hunderttausende Anhänger des türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, und dessen islamisch-konservativer Partei AKP waren dem Ruf des umstrittenen Staatschefs gefolgt, um nach dem gescheiterten Putschversuch bei einer Massenkundgebung unter dem Motto „Demokratie und Märtyrer“ ihre Unterstützung für die Regierung zu demonstrieren. „Du bist ein Geschenk Gottes, Erdoğan“, hieß es auf Plakaten. Auf anderen stand: „Befiehl uns zu sterben, und wir werden es tun.“ Viele Kundgebungsteilnehmer schwenkten die türkische Flagge.

Ministerpräsident Binali Yildirim hatte dazu aufgerufen, bei der überparteilichen Demonstration nur die Landesflaggen und keine Parteiflaggen zu zeigen. Neben der regierenden AKP hatten auch die Oppositionsparteien CHP und MHP ihre Teilnahme zugesagt. CHP-Chef Kemal Kiliçdaroğlu hatte zunächst abgelehnt, dann aber seine Meinung mit der Begründung geändert, seine Partei wolle sich zur Demokratie bekennen und „unserem Glauben an Recht und Gesetz sowie unserem ewigen Respekt für Märtyrer“ Ausdruck verleihen. Die kurdische HDP wurde nicht zu der Kundgebung eingeladen.

Demonstration von Stärke

Für Erdoğan, der sich selbst als Hauptredner angekündigt hatte, diente die Massenkundgebung als Demonstration von Macht und Stärke. Die von der türkischen Führung ausgerufenen Säuberungen in Militär, Justiz und Verwaltung, bei denen Zehntausende verhaftet und entlassen wurden, sind im Ausland auf massive Kritik gestoßen und sorgen auch in der EU weiterhin für Uneinigkeit in der Frage, wie man im Umgang mit der Türkei darauf reagieren soll. Nachdem Österreichs Bundeskanzler, Christian Kern, im „Presse“-Interview vor einigen Tagen einem EU-Beitritt Ankaras eine Absage erteilt hatte, kündigte am Wochenende Außenminister Sebastian Kurz an, im EU-Außenministerrat sein Veto dagegen einlegen zu wollen, weitere Kapitel bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu eröffnen. Im „Kurier“ sagte er am Wochenende, Kern werde sich bemühen, auch andere Regierungschefs von einem Verhandlungsstopp zu überzeugen.

Aus für Flüchtlingsdeal?

Die Eröffnung weiterer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zwischen Brüssel und Ankara ist Teil des EU/Türkei-Flüchtlingsdeals vom März. Kurz hat in den vergangenen Tagen bereits mehrfach erklärt, dass der Deal nicht halten und die EU einen starken Schutz ihrer Außengrenzen sicherstellen müsse. In diesem Zusammenhang übte er am Wochenende auch Kritik an der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, weil diese weiter auf das Abkommen setzt. „Ich halte es für problematisch, wenn man wegen dieses Asyldeals bei Grundrechtsverletzungen, die in der Türkei passieren, wegsehen würde“, erklärte er gegenüber „Österreich“.

Die österreichische Position ist in der EU jedoch umstritten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellte sich am Wochenende in Sachen Flüchtlingsdeal hinter Merkel. Im Berliner „Tagesspiegel“ sprach er sich dafür aus, an dem Abkommen festzuhalten. Die EU müsse auch mit schwierigen Nachbarn wie der Türkei zusammenarbeiten. Gleichzeitig machte er klar, Ankara bei der Visumfreiheit nicht entgegenkommen zu wollen: „Grundrechte wie etwa die Pressefreiheit dürfen nicht einfach mit dem Hinweis auf die Antiterrorgesetzgebung ausgehebelt werden.“ (APA/AFP/DPA/Reuters/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2016)

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