Der republikanische Präsidentschaftskandidat heizt erneut den Zorn seiner Anhänger auf seine demokratische Gegnerin an.
Washington. Eine mehrdeutige, aufrührerische Aussage, die unschwer als Aufruf zu Gewalt verstanden werden kann, gefolgt von einer empörten Zurückweisung der Kritik mit der Behauptung, er habe das ja ganz anders gemeint: Donald Trumps Spiel mit ambivalenten Meinungsäußerungen hat am Mittwoch erneut für Aufregung gesorgt.
Bei einer Kundgebung in North Carolina sagte der republikanische Präsidentschaftskandidat Folgendes: „Hillary will den zweiten Verfassungszusatz abschaffen. Übrigens, wenn sie ihre Richter auswählen kann, könnt ihr nichts machen, Leute. Obwohl, vielleicht können die Leute vom zweiten Verfassungszusatz schon etwas tun, ich weiß es nicht. Aber ich sage euch: Das wird ein schrecklicher Tag sein, wenn Hillary ihre Richter einsetzt.“ Der zweite Verfassungszusatz (das „Second Amendment“) aus dem Jahr 1791 verbrieft das Grundrecht der US-Bürger auf Waffenbesitz (Verfassungsjuristen streiten darüber, ob damit ein individuelles Bürgerrecht gemeint ist oder eher jenes, Milizen zur Selbstverteidigung zu bilden).
Trumps „Second Amendment People“ sind jene Waffenrechtslobbyisten, die einen enormen Druck auf jeden republikanischen Amtswerber ausüben, auf dem schwach regulierten US-Waffenmarkt nur ja nichts zu ändern.
Abgesehen vom Umstand, dass Hillary Clinton, Trumps demokratische Gegnerin, nie die Abschaffung des „Second Amendment“ gefordert hat, warfen zahlreiche Beobachter Trump vor, zur Waffengewalt gegen sie anzustiften. Der „New York Times“-Kolumnist Thomas Friedman erinnerte daran, dass der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin im Jahr 1995 eine monatelange Radikalisierung der rhetorischen Angriffe gegen ihn voranging, einschließlich öffentlicher Mordaufrufe.
„Ein entglittener Scherz“
Trump erklärte, er habe die eindrucksvolle politische Organisationskraft der Waffenlobbyisten gelobt: „Es kann keine andere Interpretation geben.“ Paul Ryan, der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses und derzeit ranghöchste republikanische Amtsinhaber hingegen sagte, das sei ein entglittener Scherz gewesen.
Trump und seine Fürsprecher heizen seit Monaten die Stimmung unter seinen Anhängern mit Gewaltaufforderungen gegen seine Gegner und vor allem Clinton. Chris Christie, Gouverneur von New Jersey und früherer Staatsanwalt, gestaltete seine Rede bei dem Parteitag in Cleveland als Verlesung einer Anklageschrift gegen Clinton, die vom Publikum mit „Sperrt sie ein!“-Rufen quittiert wurde. Roger Stone, Fernsehkommentator und Trump-Berater, sagte zur rechtspopulistischen Website Breitbart News, die Demokraten bereiteten Wahlbetrug vor, und „dann wird es ein Blutbad geben“. Das meine er jedoch nur rhetorisch, fügte er hinzu.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2016)