Die unendliche Saga des Guantánamo-Lagers

Insassen des US-Militärgefängnisses Guantánamo im März 2011 beim Gebet in einem der Gruppenräume. Dessen Schließung ist auf unbestimmte Zeit unmöglich.
Insassen des US-Militärgefängnisses Guantánamo im März 2011 beim Gebet in einem der Gruppenräume. Dessen Schließung ist auf unbestimmte Zeit unmöglich.(c) Reuters/US-Verteidigungsministerium
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Das US-Militärgefängnis auf Kuba zählt nur noch 61 Insassen. Doch sein Versprechen, das umstrittene Lager zu schließen, konnte Obama nicht halten.

Washington. Barack Obama war noch gar nicht als Präsident angelobt, als eines seiner ehrgeizigsten Vorhaben bereits mehr oder weniger Makulatur war: die Schließung des Militärgefängnisses in der Bucht von Guantánamo auf Kuba.

Keine Woche nach dem Wahlsieg im November 2008 erklärte Denis McDonough, damals außenpolitischer Berater und heute Obamas Kabinettschef, dass es „noch keine Entscheidung darüber gibt, wo und wie den Insassen der Prozess gemacht wird“. Zwar gab sich das Obama-Team zuversichtlich, ein Gefängnis auf US-Boden für die unbegrenzte Unterbringung nachweislich gefährlicher ehemaliger Talibankämpfer und al-Qaida-Terroristen zu finden, Drittstaaten zur Beherbergung unschuldiger Häftlinge zu bewegen und die vom Obersten Gerichtshof der USA als verfassungswidrig befundene Militärjustiz zu reformieren.

Doch acht Jahre später ist Obamas Versprechen, das auch unter seinem militärischen Kürzel „GTMO“ geläufige Gefängnis zu schließen, als unerfüllbar zu bewerten. Mit der Ankündigung vom Dienstag, wonach 15 Insassen in die Obhut der Vereinigten Arabischen Emirate übergeben wurden, ist die Zahl der verbleibenden Häftlinge zwar auf 61 gesunken. Zum Vergleich: der Höchststand im Juni 2003 betrug 669 Insassen, insgesamt haben seit Anfang 2002 779 Männer Zeit in den Zellblocks der Haftanstalt verbracht.

Von diesen 61 restlichen Insassen können 41 nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums nicht freigelassen beziehungsweise an willige Drittstaaten übergeben werden, weil sie weiterhin nachweislich gefährlich sind und den bewaffneten islamistischen Kampf erneut aufnehmen würden. Viele von ihnen können jedoch zugleich auch nicht einem Militärstrafverfahren auf Guantánamo unterzogen werden, weil die Beweismittel gegen sie unter Folter gewonnen wurden und somit verfassungsrechtlich unzulässig sind.

Amerikaner seit jeher gegen Schließung

Von seinem ersten Tag im Weißen Haus an war Obama in einer sehr vorteilhaften Position. Seine Demokraten hatten zeitgleich mit ihm beide Kammern des Kongresses erobert, international sah man das nach dem Beginn des Afghanistan-Krieges hastig errichtete Gefängnis ohnehin als Schandfleck der Ära von Obamas Vorgänger George W. Bush. Das berüchtigte „Camp X-Ray“, von dem Bilder der gefesselten und geknebelten Gefangenen in orangefarbenen Overalls rund um die Welt gingen, wird zwar schon seit Frühling 2002 nicht mehr verwendet. Heute sitzen die Insassen in klimatisierten Zellen, haben Satellitenfernsehen, eine Bibliothek und ein Fitnessstudio, können Fremdsprachen und gärtnern lernen und aus mehreren Speisemenüs auswählen, wie „Die Presse“ im Sommer 2014 bei einem Lokalaugenschein sehen konnte. Doch Guantánamo dient islamistischen Terroristen unverändert als Rekrutierungsmittel; man denke etwa an die orangefarbenen Overalls, in denen der Islamische Staat einige seiner westlichen Opfer ermordete.

Obama hoffte Anfang 2009, eine Übereinkunft mit den Republikanern über die Schließung treffen zu können. „Stattdessen wurde der politische Ton rauer, und die Menschen bekamen Angst vor der Rhetorik rundherum“, sagte er voriges Jahr.

Das stimmt zwar, doch gelang es dem Präsidenten auch nicht, seine Bürger davon zu überzeugen, dass die Schließung in ihrem Interesse wäre. Im Frühling 2009 war laut Gallup-Umfrage eine Zweidrittelmehrheit dagegen. Im Herbst 2010 eroberten die Republikaner das Abgeordnetenhaus zurück. Somit war die Chance auf eine geordnete Schließung und Überführung der problematischen Häftlinge passé.

Höhere Rückfallquote unter Bush

Der Hauptgrund dafür, dass die nun in die Emirate überstellten zwölf Jemeniten und drei Afghanen zu den letzten Insassen zählen dürften, die unter Obama freikamen, ist die Sorge vor Rückfällen. Ironischerweise ist die Gefahr, dass ein Ex-Häftling wieder den terroristischen Kampf aufnimmt, unter Obama stark gesunken: Per 15. Jänner waren nur sieben der 144 von ihm freigelassenen Insassen rückfällig, teilte der Direktor für Nationale Sicherheit mit. Das entspricht einer Quote von 4,9 Prozent. Hingegen wandten sich 111 der 532 unter Bush enthafteten Guantánamo-Insassen wieder dem Jihad zu – also rund 21 Prozent.

Auf einen Blick

Seit dem Jahr 1903 betreiben die USA auf Kuba in der Bucht von Guantánamo eine Marinebasis. Gegen eine Jahrespacht von 4085 Dollar (die Kubas kommunistische Regierung aus Protest nicht verbucht) sind dort Seestreitkräfte stationiert. In den Neunzigerjahren brachten die USA in „GTMO“ haitianische Flüchtlinge unter. Seit Anfang 2002 und dem Beginn des Afghanistan-Kriegs waren 779 nachweisliche Talibankämpfer und al-Qaida-Terroristen (darunter die Planer der 9/11-Anschläge) sowie einige Unschuldige dort inhaftiert. Ihre Zahl ist nun auf 61 gesunken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2016)

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Damit sinkt die Zahl der verbliebenen Häftlinge auf 61. US-Präsident Obama hatte die Schließung des Lagers bei seinem Amtsantritt versprochen.

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