Will Österreich die Wiener Kurdenmörder nicht verfolgen?

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ARCHIVBILD: WR. KURDENMORDE / A . GHASSEMLOU(c) APA (Robert Jaeger)
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Die Forderung der iranischen Kurden, die Ermittlungen im Mord an ihrem früheren Anführer Ghassemlou wieder aufzunehmen, stoßen in Österreich auf wenig Resonanz.

Es ist ein Kriminalfall, der 27 Jahre zurückliegt. An politischer Brisanz hat er aber bis heute nichts eingebüßt. Am 13. Juli 1989 wurden in Wien der iranische Kurdenführer Abdul Rahman Ghassemlou und zwei seiner Begleiter ermordet. Österreichs Behörden ermittelten, ließen die Verdächtigen – Vertreter des iranischen Regimes – aber ausreisen. Erst nachdem diese sicher in den Iran zurückgekehrt waren, wurden gegen sie internationale Haftbefehle ausgestellt.

Seither schien Gras über die Sache gewachsen. Bei Irans Kurden hat man den Fall aber nicht vergessen. Österreich sei den Kurden im Iran „noch etwas schuldig“, sagte zuletzt Mustafa Hijri, Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistans Iran (PDKI), in einem Interview mit der „Presse“. „Die österreichische Regierung verhinderte damals, dass es zu einem Prozess gegen die Attentäter kam, die das iranische Regime geschickt hatte“, klagte Hijri. Und er forderte: „Wir hoffen, dass die heutige österreichische Regierung dabei hilft, dass dieser Fall wieder aufgerollt wird. Die Ermittlungen müssen wieder aufgenommen und dürfen nicht so wie damals behindert werden.“

Doch in die Aufarbeitung des Mordfalls wird wohl kaum neuer Schwung kommen. Im Justizministerium bestätigt man der „Presse“ lediglich, dass die internationalen Haftbefehle gegen die drei hauptverdächtigen Iraner nach wie vor aufrecht seien. Um eine Auslieferung der Gesuchten habe man den Iran bisher nicht ersucht. Grund dafür sei, dass der Iran ohnehin keine eigenen Staatsbürger ausliefere. Zu den Forderungen des iranischen Kurdenführers, Hijri, und den politischen Implikationen der Causa gab das Justizministerium trotz mehrmaliger Anfrage der „Presse“ keinen Kommentar ab.

Ausgestellt sind die Haftbefehle gegen Mohammed Jafari Saharoudi, Mustafa Ajvadi und Amir Mansour Bozorgian, dessen richtiger Name wohl Hadji Ghafour Darjazi ist. Die drei hatten im Juli 1989 für das iranische Regime mit Kurdenführer Ghassemlou in einer Wohnung in der Linken Bahngasse im dritten Wiener Bezirk verhandelt. Bei den Gesprächen ging es um ein Ende des Kurdenaufstandes im Iran. Doch am Schluss der Unterredung wurden Ghassemlou und seine beiden Begleiter mit zahlreichen Schüssen umgebracht. Die Iraner verließen fluchtartig die Wohnung, Verhandlungsführer Saharoudi kam aber nicht weit. Er war von Querschlägern verletzt worden und musste im Spital behandelt werden.

Für die Kurden stand fest: Ghassemlou war vom Regime unter dem Vorwand von Friedensgesprächen in eine tödliche Falle gelockt worden.

Auch die Beamten der damaligen österreichischen Staatspolizei und der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus verdächtigten die Iraner. Trotzdem durften die drei – auf Druck Teherans – ausreisen. Erst Ende 1989 wurden gegen sie Haftbefehle erlassen.

Der Hauptverdächtige und damalige Leiter des iranischen Verhandlungsteams, Mohammed Jafari Saharoudi, ist auch heute kein Unbekannter. Er ist Bürochef des früheren iranischen Atomverhandlers und jetzigen Parlamentspräsidenten, Ali Larijani. Zusammen mit Larijani oder in dessen Vertretung war Saharoudi immer wieder im Ausland unterwegs – trotz des internationalen Haftbefehls.

Im Oktober 2013 etwa nahm Saharoudi an einer Tagung der Interparlamentarischen Union (IPU) in Genf teil. Zwar traten die Schweizer Behörden mit Österreich in Kontakt. Verhaftet wurde Saharoudi aber nicht. Tage später reiste er weiter nach Kroatien – und blieb wieder unbehelligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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Der iranische Kurdenführer Mustafa Hijri warnt das Regime in Teheran vor weiteren Angriffen auf seine Kämpfer. Von Österreichs Behörden verlangt der Generalsekretär der PDKI, den Fall des in Wien ermordeten Kurdenführers Ghassemlou wieder aufzurollen und die Hintermänner im Iran zur Verantwortung zu ziehen.

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