Der Ex-Staatschef wird den Kampf gegen den Terrorismus ins Zentrum seines Wahlkampfs stellen und als Hardliner dem rechtsextremen Front National das Wasser abgraben.
Paris. Wie macht man aus einem völligen Nichtereignis ein Medienthema erster Ordnung? Die Tricks, um sich mit einer längst erwarteten Ankündigung ins Rampenlicht zu rücken, beherrscht Nicolas Sarkozy bestens. Dass er seine Kandidatur bei den Primärwahlen seiner Partei in einem am Mittwoch erscheinenden Buch nun offiziell bekannt gegeben hat, ist alles andere als eine Überraschung. Trotzdem hat er es am Montag mit dem bloßen Hinweis auf das Buch geschafft, das Interesse auf sich zu ziehen.
Seit mehr als zwei Jahren war es offensichtlich, dass er seine Abwahl und die Niederlage gegen den Sozialisten François Hollande bei den Präsidentschaftswahlen von 2012 nicht verdaut hatte und eine neue Chance für eine Wiederwahl beanspruchen würde. Er hatte dazu ja eigens die Parteiführung der konservativen UMP übernommen, diese dann reorganisiert und in Les Républicains (LR) umtaufen lassen. Diese internen Vorbereitungen und alle öffentlichen Auftritte haben verdeutlicht, dass Sarkozy sich nicht mit einer Nebenrolle im zweiten Glied der Politik oder gar als Frührentner mit lukrativen Gagen für Gastreden begnügen wollte. Zudem laufen noch strafrechtliche Untersuchungen gegen ihn. Allein das wäre schon ein hinreichender Grund, wieder Präsident zu werden: Das Amt würde ihn aufgrund der Immunität des Staatschefs vor jedem Zugriff der Justiz bewahren.
Die Hürde der eigenen Partei
Vorher kommt aber noch ein entscheidendes Etappenziel: Am 20. und 27. November werden die LR-Mitglieder und -Sympathisanten bei Primärwahlen ihren Kandidaten für die Wahl im Frühjahr 2017 nominieren. Wer diese Hürde schafft, hat nach jetzigem Stand beste Aussichten, in die Stichwahl einzuziehen – vermutlich gegen Marine Le Pen vom Front National.
Insgesamt gibt es gut ein Dutzend Bewerber. Einige von ihnen griffen Sarkozy umgehend an. Dieser kündige die gleichen "Halbmaßnahmen" an wie schon vor seiner Wahl zum Staatschef 2007, kritisierte der frühere Parteichef Jean-Francois Cope im Sender France Inter. Als härtester Konkurrent Sarkozys im eigenen Lager gilt der Bürgermeister von Bordeaux, der frühere Premierminister Alain Juppe.
Den Parteivorsitz muss Sarkozy abgeben, um kandidieren zu können. Sein Vertrauter Laurent Wauquiez hat die Führung der konservativen Republikaner übernommen. Das bestätigte ein Sprecher der Partei am Dienstag in Paris. Der 41 Jahre alte Interims-Chef war bisher stellvertretender Vorsitzender.
Fragwürdige Bilanz
Die Bilanz von Sarkozys Präsidentschaft (2007 bis 2012) ist nicht gerade glorios: Eine zusätzliche Million Arbeitslose und eine Staatsverschuldung in Rekordhöhe gehen auf sein Konto. Mehr noch hatte er mit seinem eigenmächtigen Stil die Mitbürger verärgert. Zum Glück für ihn wird heute aber nur über die Misserfolge seines Nachfolgers Hollande diskutiert.
Sarkozy hat die Meinungsumfragen im Detail studiert. Er will deshalb die Themen Sicherheit, nationale Identität und Immigration sowie den Islam ganz prominent ins Zentrum seiner Kampagne und der Wahldebatte stellen. Lange waren die Wirtschaft und die Beschäftigung die Hauptsorge der Franzosen. Das hat sich nach den jüngsten terroristischen Attentaten geändert: Mit 58 Prozent kommen heute laut Meinungsforschern der Schutz vor Terrorismus und die Sicherheit weit vor der Arbeitslosigkeit (17 Prozent). Seit Monaten bereits wirft Sarkozy der jetzigen Staatsführung Nachlässigkeit und „Amateurismus“ im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus vor – und bietet sich an, mit starker Hand für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
So regt Sarkozy als „allererste Priorität“ an, französische Staatsangehörige, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen, in geschlossenen Zentren zu internieren. Ausländer, die als verdächtige Radikalisierte erfasst sind, sollen sofort abgeschoben werden. Sarkozy will auch eine „drastische Verminderung“ der Zuwanderung. Schließlich möchte er die Ausbildung der Imame eng kontrollieren, damit es in Frankreich nur noch Französisch sprechende Prediger gibt. Das sind Vorschläge, die heute weit über das Lager der LR-Sympathisanten und Front-National-Wähler hinaus ankommen. Die Zeitung „Libération“ dagegen kritisierte, Sarkozy setze auf die „Angst als Programm“ – und prophezeit: „Das Schlimmste ist, dass er (damit) gewinnen kann.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2016)