Nach dem Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete will die SPD die Luftwaffe von der türkischen Nato-Basis Inçirlik abziehen. Doch die Verteidigungsministerin erhebt Einspruch.
Berlin. Mit den Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei steht es schon seit Längerem nicht mehr zum Besten. Da war zunächst, im März, das Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann, das den Adressaten, den türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, sehr verärgert hat. Im Juni hat der Bundestag eine Resolution beschlossen, in der das Massaker des Osmanischen Reiches an den Armeniern vor 100Jahren als Völkermord verurteilt wird. Und dann, nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli, wurde Erdoğan untersagt, sich per Videobotschaft an die in Köln demonstrierenden Deutschtürken zu wenden.
Die diplomatischen Verstimmungen haben in Deutschland nun (unter anderem) die Frage aufgeworfen, ob die Luftwaffe weiterhin an der türkischen Nato-Basis Inçirlik bleiben sollte. Die SPD hat sie am Donnerstag mit Nein beantwortet. Der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, forderte den Abzug der deutschen Heeres-Jets: Die Bundesregierung müsse umgehend andere Standorte für die Soldaten abklären, sagte er dem „Spiegel“. Anlass für Arnolds Begehr ist das Besuchsverbot in Inçirlik für Bundestagsabgeordnete, das Erdoğan nach der Armenien-Resolution ausgesprochen hat.
So weit will die CDU aber (noch) nicht gehen. Die Bundeswehr würde den gemeinsamen Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien gern von Inçirlik aus fortführen, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Operation liege nach wie vor im gemeinsamen Interesse Deutschlands und der Türkei. Auf die Frage, ob die Luftwaffe notfalls schnell verlegt werden könnte, meinte von der Leyen: „Kluge militärische Planung sieht immer auch Ausweichmöglichkeiten vor.“
Zuvor hatte der „Spiegel“ unter Berufung auf militärische Kreise berichtet, dass sich die Bundeswehr bereits auf einen möglichen Abschied aus der Türkei vorbereite. Es werde geprüft, ob die Flugzeuge in Jordanien oder Zypern stationiert werden könnten. Für den Umzug müssten jedoch die Einsätze für mindestens zwei Monate unterbrochen werden.
Auf der Militärbasis Inçirlik, die am Rande der Stadt Adana, rund hundert Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt, befinden sich derzeit 240 deutsche Soldaten, um den internationalen Kampf gegen den IS mit Aufklärungsflügen zu unterstützen. Seit Beginn der Mission vor acht Monaten wurden knapp 500 Einsätze geflogen. Vom türkischen Stützpunkt aus startet auch ein deutsches Tankflugzeug, das die eigenen und die Jets verbündeter Nationen in der Luft mit Treibstoff versorgt.
„Missionsverlängerung ausgeschlossen“
Das Bundestagsmandat für die Mission läuft im Dezember aus. Eine Verlängerung hält SPD-Verteidigungssprecher Arnold für ausgeschlossen. Neben den deutschen sind rund 1500 US-amerikanische Soldaten in Inçirlik stationiert. Nach dem Putschversuch gegen Erdoğan war die Energieversorgung der Militärbasis zeitweise unterbrochen. Das führte – im türkischen Hochsommer – unter anderem zum Ausfall der Klimaanlagen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2016)