Brasiliens Präsidentin, Dilma Rousseff, setzte sich im Senat gegen die Amtsenthebung zur Wehr.
Wien/Brasilia. Das letzte Kapitel im Polit-Drama um Dilma Rousseff ist eröffnet, und nur ein Mirakel könnte die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin durch ein Zweidrittelvotum des Senats noch abwenden – oder ein Deal ihres Mentors und Vorgängers mit den Senatoren. Ex-Präsident Lula, ein geschickter Fadenzieher, ist eigens nach Brasilia gereist, um seiner glücklosen Nachfolgerin bei ihrer Verteidigungsrede gegen den Vorwurf der Korruption auf der Zuschauergalerie des Senats demonstrativ beizustehen. Dabei hat der Staat im Zuge des Korruptionsskandals um den Energie-Multi Petrobras gerade erst Anklage gegen Lula erhoben.
Eine Probeabstimmung im Senat hat Rousseff bereits verloren, doch die 68-Jährige, die Folter und eine Krebserkrankung überstanden hatte, bäumte sich ein letztes Mal gegen die Abwahl auf. Neuerlich wetterte sie gegen einen Staatsstreich von oben und sprach davon, dass die Errungenschaften der sozialdemokratischen Reformen und die Demokratie insgesamt auf dem Spiel stünden. Ihre Regierung habe gewiss Fehler begangen, gestand sie ein, aber keine Verbrechen.
„Tchau Querida“
Vor dem Parlament stimmten sich die Brasilianer auf die entscheidende Abstimmung vermutlich am Mittwoch ein: „Tchau Querida“ („Adieu, meine Liebe“), skandierten die Rousseff-Gegner in Anlehnung an den Abschiedsgruß Lulas bei einem abgehörten Telefonat. Sie werfen ihr nicht so sehr Bilanztricks vor, sondern ihr Versagen angesichts der grassierenden Korruption und der galoppierenden Rezession.
Zuletzt schlug die Präsidentin Neuwahlen vor und drehte auf dem Rad unbeirrt ihre Runden durch den Regierungsbezirk, während sich Interimspräsident Michel Temer schon für seine erste offizielle Auslandsreise zum G20-Gipfel nach China bereitmachte. Rousseff ist seit Mai suspendiert, sie blieb auch der Olympia-Eröffnung in Rio – einem Buhkonzert gegen Temer – fern. (vier)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2016)