Endspurt um die Nachfolge Bans

Die bulgarische EU-Vizekommissionspräsidentin Kristalina Georgiewa
Die bulgarische EU-Vizekommissionspräsidentin Kristalina Georgiewa(c) Reuters
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Die bulgarische Vize-EU-Kommissionspräsidentin Kristalina Georgiewa will nach Informationen der "Presse" ins Rennen ums Amt der UN-Generalsekretärin einsteigen.

Ban Ki-moon zieht seine Abschiedsrunden bei der UN-Generalversammlung, leidenschaftlich und unverblümt wie nie zuvor. Fast jeder Redner zollt ihm Dank für seinen zehnjährigen Einsatz als UN-Generalsekretär. Am 1. Jänner zieht sein Nachfolger in den Glaspalast am East River ein. Nach vier Probeabstimmungen sind noch immer neun Anwärter im Rennen. Demnächst soll eine zehnte Bewerberin dazukommen: die bulgarische EU-Vizekommissionspräsidentin Kristalina Georgiewa. Sie werde demnächst definitiv antreten, erfuhr „Die Presse“ von gut informierten Diplomaten.

Bulgarien hat indes bereits eine Kandidatin aufgestellt, die Unesco-Chefin Irina Bokowa. Die Ex-Studienkollegin des russischen Außenministers, Sergej Lawrow, lag in der letzten geheimen Abstimmung jedoch lediglich an fünfter Stelle. Der konservative bulgarische Premier Bojko Borissow stellte bei einem schlechten Abschneiden beim nächsten Votum am Montag ihren Rückzug in Aussicht, Bokowa sträubt sich aber noch dagegen.

Georgiewa, die als EU-Kommissarin in ihrer ersten Amtszeit für humanitäre Hilfe zuständig war und nun für das Budget verantwortlich ist, könnte mit ihrem intellektuellen Format und ihrem Engagement punkten. Die 63-jährige Ökonomin und Soziologin hat die Unterstützung der europäischen Konservativen – und eine mächtige Verbündete in Berlin: Angela Merkel. Die deutsche Kanzlerin hat laut Angaben des russischen Außenministeriums am Rand des G20-Gipfels in China bei Kreml-Chef Wladimir Putin vorgefühlt, ob er sich die prowestliche Georgiewa als UN-Generalsekretärin vorstellen kann.

Eine Frau aus Osteuropa

Nach einem informellen Rotationsprinzip soll die nächste Galionsfigur der UNO aus Osteuropa kommen. Auch eine Frau wünschen sich viele. Doch auf dieses zweite Auswahlkriterium habe sich Moskau nicht kapriziert, hieß es.

Russland spielt diesmal eine besondere Rolle. Putin will die neue Frau bzw. den neuen Mann an der Spitze während des russischen Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat im Oktober präsentieren. Bisher lag bei allen vier geheimen Abstimmung ein Bewerber in Front, der nicht in das geografische Anforderungsprofil passt: der ehemalige UN-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres. Zuletzt erhielt er im 15-köpfigen Sicherheitsrat zwölf Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen, bei einer Enthaltung. Der Portugiese hatte auch bei den Hearings, die heuer zum ersten Mal stattfanden, den besten Eindruck hinterlassen.

Als Zweiter (zehn Ja-Stimmen) ging der slowakische Außenminister, Miroslav Lajčák, durchs Ziel. Auch der versierte Diplomat zählt immer noch zum Favoritenkreis. Russland hätte gegen den früheren Studenten des Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen wohl nichts einzuwenden. Doch eine Vetomacht mit langem Gedächtnis hat dem Vernehmen nach Bedenken gegen den 53-Jährigen. Großbritannien nimmt ihm angeblich seine Amtszeit als Hoher Repräsentant in Bosnien krumm.
Außenseiterchancen haben nach wie vor Vuk Jeremić und Kerim Srgjan, die Ex-Außenminister Serbiens und Mazedoniens, sowie Sloweniens Ex-Präsident Danilo Türk. Als aussichtslos gilt unter anderem die frühere neuseeländische Premierministerin Helen Clark.

Stichtag für Georgiewa ist der 5. Oktober, wenn die Stimmzettel der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats erstmals farbig codiert sind. Dann wird sich das Feld lichten. Wer ein Veto hat, ist draußen. Letztlich werden die beiden Großen, Russland und die USA, ausknobeln, wen sie an die UNO-Kommandobrücke lassen. Das muss nicht immer eine starke Persönlichkeit sein, wie man beim Südkoreaner Ban Ki-moon sah, der hart arbeitete, aber frei von Charisma war und bis zuletzt im Schatten seines Vorgängers, Kofi Annan, stand.
Die rhetorische Kraft der Überzeugung ist jedoch letztlich das einzige Pfund, mit dem ein UN-Generalsekretär in dem unmöglichen Job als Zirkusdirektor von 193 Staaten wuchern kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2016)

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