Wie ein Schiedsrichter in einem Boxkampf

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NBC-Moderator Lester Holt hielt sich während der Debatte betont zurück. Er verstand sich nicht als Faktenchecker, sondern eher als Stichwortgeber.

Es ist ein bewährter Angriff in der Manier des New Yorker Milliardärs. Donald Trump wollte den Moderator der TV-Debatte gleich von Anfang an diskreditieren, indem er ihn als Demokraten punzierte und so ins linksliberale Eck, ins Clinton-Lager, stellte. Weit gefehlt. Wie sich herausstellte, ist Lester Holt, Moderator der NBC-Hauptabendnachrichten, indessen eingetragener Republikaner.

Eine der TV-Diskussionen im Präsidentschaftswahlkampf zu leiten, gilt als einer der begehrtesten und prestigeträchtigsten Jobs im Nachrichtengeschäft. Unverdächtig, neutral und betont zurückhaltend führte der 57-Jährige, der erste Afroamerikaner als "Anchorman" einer der drei großen US-Networks, durch die Debatte - wie der Schiedsrichter in einem Boxkampf. Spötter in den sozialen Medien gaben, während die Diskussion lief, noch eine Vermisstenanzeige auf: "Wohin ist Lester Holt verschwunden?"

Faktencheck in den Medien

Holt beließ es dabei, vorwiegend als Stichwortgeber zu fungieren. Nach dem Geschmack vieler TV-Experten blieb er zu passiv, hakte er zu wenig nach, ließ die Dinge zu sehr laufen. Trump hatte ja vor Beginn darauf gedrängt, keinen Faktencheck zu betreiben. Genau darauf, auf die Überprüfung der vorgebrachten Vorwürfe, pochte indes Hillary Clinton. Den Faktencheck übernahmen dann die US-Medien, jedes einzelne für sich.

Bei der Frage nach der Verschwörungskampagne gegen Präsident Barack Obama ließ der Moderator allerdings nicht locker. Trump hatte die von der Tea Party lancierte Behauptung, Obama sei nicht rechtmäßiger Präsident, weil er nicht in den USA geboren sei, auf die Spitze getrieben. Rechercheure sollten auf Hawaii die These erhärten, ehe Obama sein Geburtszertifikat präsentierte - und die so genannten "Birther" um Trump blamierte.

Das Starprinzip im News-Business

Auch bei der Frage nach der Steuererklärung Trumps blieb Lester Holt unnachgiebig und stieß nach. Umgekehrt bohrte er bei der E-Mail-Affäre Hillary Clntons in ihrer Zeit als Außenministerin nach. Dass der Moderator Trumps Tiraden gegen Muslime und Mexikaner nicht aufs Tapet brachte, hielten ihm Kritiker vor.

Holt, ein gebürtiger Kalifornier, der lange bei CBS gearbeitet hatte, eher bei NBC anheuerte, hat heuer erst eine Diskussion im Vorwahlkampf moderiert. Vor eineinhalb Jahren war er zum Anchorman bei NBC avanciert, nachdem Brian Williams wegen Fabrikationen von Heldengeschichten seinen Job verloren hatte. Alles andere als frei von Eitelkeit war Williams zu einem Grenzgänger zwischen dem Nachrichten-Business und der Entertainmentbranche geworden, und er gefiel sich als Stargast in den nächtlichen Talkshows à la Leno, Letterman oder Fallon. Williams stürzte über das Starprinzip im US-Fernsehen und über sich und seine Eitelkeit.

Verquickung bei Fox News

Während Holt den Nachrichtenmann alter Schule im Stil von Walter Cronkite personifiziert, tummeln sich vor allem bei den reinen Nachrichtensendern zunehmend Selbstdarsteller und Polit-Zampanos. Sean Hannity, einer der rechten Galionsfiguren bei Rupert Murdochs Fox News, agierte zuletzt sogar in enem TV-Spot Donald Trumps. Die Grenzen zwischen Information und Agitation sind längst fließend.

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