Skandal um Hollande-Buch: „Eine Menge von Idioten“

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FRANCE-ATTACKS-POLITICS-TRIBUTE(c) APA/AFP/POOL/ERIC GAILLARD
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Ein Buch mit Interviews, in dem Präsident François Hollande Freund und Feind geißelt, löst einen Skandal aus.

Paris. „Mon dieu!“, möchte man sagen, was hat sich Frankreichs sozialistischer Präsident, François Hollande, dabei gedacht. Ein Buch, das Journalisten aus persönlichen Interviews mit ihm im Lauf der letzten vier Jahre zusammengestellt haben, und durchaus mit seinem Wissen, sorgt für einen Skandal und ist für Hollande ein Desaster. Der Grund sind zahllose, wohl ehrlich gemeinte, abschätzige, rüde und verächtliche Kommentare, mit denen er nicht nur politische Gegner, sondern auch die Justiz, eigene Parteigenossen und seine Ex-Lebensgefährtin Ségolène Royal belegt.

Das 672-Seiten-Werk heißt sinnigerweise„Un président ne devrait pas dire ça“(Ein Präsident dürfte so etwas nicht sagen), was auf Worten Hollandes beruht; geschrieben haben es die „Le Monde“-Journalisten Fabrice Lhomme und Gérard Davet. Dass Hollande darin über seinen konservativen Vorgänger, Nicolás Sarkozy, sagt „Wir hatten den kleinen Napoleon, jetzt haben wir den kleinen De Gaulle“, und an seinem Charakter zweifelt („Er kann nicht unterscheiden, was legal ist oder nicht, was anständig oder nicht. Und warum immer diese Sucht nach Geld?“), mag aus politischem Antagonismus heraus verständlich sein. Doch patzt er auch Genossen wie seinen Außenminister und Ex-Premier Jean-Marc Ayrault an: Er sei „so loyal, dass er unhörbar ist“, heißt es, oder „Ihm fehlt es an Glätte und Leichtigkeit und dem Geschick, ein Kompliment zu machen, um andere mitzuziehen.“

„Gehirntraining“ für Fußballer

Der linke Flügel seiner Partei sei „Beweis, dass eine Versammlung intelligenter Menschen zur Menge von Idioten werden kann“. Die Grünen seien „Zyniker und Korinthenkacker“. Die nationale Fußballmannschaft habe „Gehirntraining“ nötig, viele Spieler seien von „schlecht erzogenen Kids zu superreichen Stars aufgestiegen“. Richter und Staatsanwälte sind sauer, weil Hollande die Justiz als „Institution der Feigheit“ geißelt. „All die Staatsanwälte, die hohen Richter verstecken sich, spielen die Tugendhaften [. . .]. Die Justiz mag die Politik nicht.“ Die höchsten Juristen des Landes – der Präsident des Obersten Gerichtshofs und der Generalstaatsanwalt dort – warfen Hollande „Demütigung“ vor.

Über seine Ex-Lebensgefährtin Royal, aktuell Umweltministerin, sagt er: „In der Beziehung war ich der politische Kopf.“ (Royal verlor 2007 in der Präsidentschaftsstichwahl gegen Sarkozy). Seine Partnerin jetzt, die weit jüngere Schauspielerin Julie Gayet, habe im offiziellen Rahmen nichts an seiner Seite verloren, und ja, sie leide darunter.

„Haben Problem mit Islam“

Hollande gibt immerhin zu, dass es ein Problem mit der Einwanderung gebe. Es kämen zu viele unerwünschte Migranten, und: „Wir haben ein Problem mit dem Islam.“

Die griechische Regierung hat er verärgert, aber wohl wegen einer Indiskretion: Regierungschef Alexis Tsipras habe am Höhepunkt der Eurokrise seines Landes 2015 Russland gebeten, die alte Währung Drachme zu drucken, damit man nach einem Austritt aus dem Euro gleich Bargeld habe, da man es selbst nicht drucken könne. Die Information kam laut Hollande von Russlands Präsident Putin. Die Regierung in Athen bestritt die Behauptung, doch wirft auch die griechische Opposition Tsipras vor, diesen Plan 2015 gewälzt zu haben.

Hollande hat sich mittlerweile zumindest bei der Justiz für seine Worte entschuldigt. Beobachter sprechen dennoch von „politischem Harakiri“. (wg/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2016)

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