Republik Moldau: Sozialist Dodon liegt vorne

Ohne ihn läuft nichts: „Vlad“ Plahotniuc.
Ohne ihn läuft nichts: „Vlad“ Plahotniuc. (c) EPA (DUMITRU DORU)
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Vorläufigen Ergebnissen zufolge könnte der prorussische Kandidat Igor Dodon die Präsidentenwahl bereits im ersten Durchgang für sich entscheiden. Der einflussreiche Oligarch Vladimir Plahotniuc unterstützte sowohl EU- als auch russlandfreundliche Kandidaten.

Chişinau. Als wegweisende Entscheidung porträtierten Medien die gestrige Präsidentenwahl in der Republik Moldau. „Die Moldau wählt zwischen der EU und Russland“, titelte die einflussreiche Wochenzeitung „Timpul“. Den Urnengang dürfte der Sozialist Igor Dodon für sich entschieden haben. Nach Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmen lag der Sozialist in der Nacht zu Montag bei 49,2 Prozent - und damit knapp unter jener Schwelle, mit der er bereits im ersten Wahlgang gewählt wäre. Seine stärkste Gegnerin, die pro-europäische Ex-Ministerin Maia Sandu, kam auf 37,5 Prozent. Klarheit über eine mögliche Stichwahl dürfte es wohl erst mit Vorlage des Endergebnisses im Laufe des Montags geben.

Nach Rückzügen und Ausschlüssen in den vergangenen Tagen waren neun Kandidaten angetreten. Die Mehrheit von ihnen wird vom weitaus größten Oligarchen des verarmten Landes zwischen der Ukraine und Rumänien, Vladimir Plahotniuc, unterstützt. Die graue Eminenz der Moldau hatte sowohl prorussische als auch Pro-EU-Kandidaten im Rennen.

Die Bürger des ärmsten Landes in Europa sind seit der Unabhängigkeit vor 25 Jahren zwischen Ost und West hin- und hergerissen. Nach dem Klauen von einer Milliarde Dollar während der Regierungszeit der proeuropäischen Koalition sollte die Präsidentenwahl eine Antwort auf die Frage geben, ob sich das Land wieder an Moskau anlehnen will. Glaubt man moldauischen Politologen, so kann Vladimir Plahotniuc mit beiden Optionen gut leben. „Wenn der Präsident prorussisch und die Regierung proeuropäisch ist, rollt der Rubel noch besser“, heißt es.

Mit verschiedenen Optionen jongliert hat der am 1. Januar1966 im agrarisch geprägten Bezirk Nisporeni rund 100 Kilometer nördlich von der Hauptstadt geborene Plahotniuc schon immer. Weinbau, Mais und Schafe haben den begabten Dorfschüler geprägt.

Mit dem Umzug nach Chişinau jedoch begann für Vlad, wie ihn seine Feinde in bitterer Anspielung auf den blutsaugenden Grafen (Vlad) Dracula nennen, ein phänomenaler Aufstieg. Ausgebildet zum Lebensmittelingenieur arbeitete er während des Zusammenbruchs der Sowjetunion als Berater in einem Heim für straffällig gewordene Jugendliche. Diese Vertrauensposition soll er dazu benutzt haben, Beamten, Staatsanwälten und Geschäftsleuten Mädchen verschafft zu haben. Bereits 1993 habe Plahotniuc Tänzerinnen für Bordelle in der Türkei direkt am Nationaltheater angeworben und auch ausgebildet, berichtet eine Informantin aus dem Künstlermilieu, die ihren Namen aus Angst vor der Rache des heute bei Weitem mächtigsten Moldauers nicht preisgeben will.

Denn der Oligarch herrscht heute als Vizeparteichef seiner Demokratischen Partei (PD) nicht nur über die nominell proeuropäische Regierung, sondern auch über die Staatsanwaltschaft, Polizei und Gerichte. Dazu werden 80 Prozent der Fernseh- und Radiostationen von seinem weitverzweigten Firmengeflecht kontrolliert. Dieses hat sich Plahotniuc als Berater der als nicht minder korrupt geltenden Familie des langjährigen kommunistischen Präsidenten Wladimir Woronin zugelegt. Nach Bordellen und Benzinhandel sollen ihn Banken und die Privatisierungen von Staatsbetrieben just dann richtig reich gemacht haben, als der heutige Favorit des Präsidentschaftswahlkampfs, der prorussische Igor Dodon, Wirtschaftsminister der KP-Regierung war. Plahotniucs Demokratische Partei ist eine Abspaltung der KP.

„Perfekte Arbeit für Putin“

„Niemand in der Moldau dient dem Kreml besser als Plahotniuc; er macht perfekte Arbeit für Putin“, sagt Dumitru Alaiba im Gespräch. Der bekannte Blogger war sieben Jahre lang Berater in der Kanzlei mehrerer von Plahotniuc abhängiger Regierungschefs, dann platzte ihm Anfang 2016 der Kragen. Seitdem gehört er zu den größten Kritikern des Oligarchen, den man wegen seiner zynischen Machtpolitik mit Donald Trump vergleichen könne. „Trump ist allerdings nur eine Warnung, Plahotniuc ist bittere Realität“, sagt Alaiba. Der Blogger wollte für Maia Sandu stimmen, die liberale proeuropäische Kandidatin einer Bürgerbewegung gegen Korruption und Oligarcheninteressen in der Politik. „Wenn Sandu verliert, muss auch ich emigrieren – so wie vor mir jeder vierte Moldauer“, fürchtet er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2016)

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