Wie Zuma Südafrika an die Guptas verkaufte

South African President Zuma arrives for a meeting with President Mugabe in Harare
South African President Zuma arrives for a meeting with President Mugabe in Harare(c) REUTERS (PHILIMON BULAWAYO)
  • Drucken

Die Präsidentschaft von Zuma zeigt, dass auch ein Einzelner eine funktionierende Demokratie an den Rand einer Kleptokratie bringen kann. Ein Untersuchungsbericht beschreibt, wie eine indische Unternehmerfamilie mitregierte.

Kapstadt. Während seine Nation den womöglich größten Skandal in der demokratischen Geschichte Südafrikas diskutierte, holte sich Präsident Jacob Zuma ausgerechnet in Simbabwe moralischen Zuspruch. Dort empfing ihn Diktator Robert Mugabe im Rahmen einer bilateralen Konferenz mit warmen Worten: „Wir sind froh, dich unversehrt zu sehen, ganz im Gegensatz zu dem, was die Zeitungen jeden Tag schreiben“, sagte Simbabwes Herrscher auf Lebenszeit und übte sich in Verbrüderungsrhetorik. „Kamerad, wir brauchen uns mehr als je zuvor.“

Ein lächelnder Zuma ließ die Anbiederung des 92-Jährigen gern zu. Selbst in Afrika, das im Korruptionsindex von Transparency International unter den 50 korruptesten Nationen weltweit mit 20 Ländern vertreten ist, gibt es wenige Orte, an denen sich Zuma sicherer sein konnte, nicht auf die Korruption in seiner Regierung angesprochen zu werden.

Das am Mittwoch bekannt gewordene Ausmaß dürfte dem in dieser Hinsicht erfahrenen Mugabe Respekt abringen. Ein 355 Seiten langer Untersuchungsbericht der ehemaligen staatlichen Anti-Korruptions-Beauftragten, Thuli Madonsela, rüttelt mehr denn je am Stuhl von Zuma. Darin empfiehlt die Ex-Ombudsfrau Ermittlungen angesichts „möglicher Straftaten“ der Zuma-nahen Unternehmerfamilie Gupta bei Personalentscheidungen des Präsidenten.

Laute Rufe nach Rücktritt

Ein amtierender und mehrere ehemalige Minister des regierenden African National Congress (ANC), hochrangige Regionalpolitiker der Partei sowie der ANC-Fraktionsvorsitzende Jackson Mthembu forderten Zuma zum Rücktritt auf. Das hatte Anfang der Woche bereits die Nelson-Mandela-Stiftung getan, die sich bisher zu keinem der zahlreichen Skandale Zumas geäußert hatte. Am Donnerstag wird das Parlament auf Antrag der Opposition beraten, ob ein Misstrauensvotum zugelassen wird. So laut und prominent war der Widerstand im ANC noch nie. Tausende demonstrierten in Pretoria gegen den Präsidenten.

Einige Erkenntnisse des Berichts lesen sich wie ein schlechtes Krimi-Drehbuch. So sagte der stellvertretende Finanzminister Mcebisi Jonas aus, dass ihm 2015 von einem Gupta-Familienmitglied 600 Millionen Rand (40 Mio. Euro) angeboten worden seien, wenn er den Posten des Finanzministers annehme. Zuma wollte damals um jeden Preis Amtsinhaber Nhlanhla Nene aus dem Amt entfernen. Er hatte den Bau von Atomkraftwerken blockiert, an dem die Guptas kräftig mitverdient hätten.

Sein potenzieller Nachfolger Jonas sollte dem Bericht zufolge als Gegenleistung unliebsame Beamte entlassen und die „Geschäftsambitionen“ der aus Indien stammenden Guptas vorantreiben. Dafür sei ihm noch an Ort und Stelle ein kleiner Vorschuss angeboten worden: „Haben Sie eine Tasche, mit der Sie 600.000 Rand transportieren können?“, habe Ajay Gupta gefragt und damit angegeben, die Familie habe umgerechnet bereits 400 Millionen Euro aus Südafrikas Staatskasse kassiert. Bei dem Treffen sei Zumas Sohn Duduzane anwesend gewesen, der Medien zufolge an mehreren Gupta-Firmen beteiligt ist.

Drohungen aus der Partei

Jonas lehnte den Deal ab, woraufhin der Hinterbänkler David van Rooyen auf Nene folgte. Auch mit ihm fanden laut Bericht mehrere Treffen im Johannesburger Familiensitz der Guptas statt, unter anderem am Tag vor seiner Berufung. Als daraufhin der Kurs des Rand einbrach, machte Zuma seine Entscheidung bereits nach vier Tagen rückgängig und ersetzte van Rooyen durch den renommierten Pravin Gordhan. Schon damals hatte ihm die Parteispitze Medien zufolge mit der Absetzung gedroht, wenn er an van Rooyen festhalten sollte.

Die Gupta-Familie dementierte, dass es die Treffen gegeben habe. Doch in Südafrika müssen die Menschen inzwischen Justiz und Zivilgesellschaft dankbar sein, dass sie das in den Neunzigerjahren so hoffnungsfroh aus der Apartheid-Asche gewachsene Land davor bewahren, sich in eine Kleptokratie zu verwandeln. Südafrika hat eine der modernsten Verfassungen der Welt und eine durchdachte Struktur der Gewaltenteilung. Zuma, der einstige ANC-Geheimdienstchef, aber bewies, dass dies nicht vor erheblichem Machtmissbrauch eines Einzelnen schützt.

Er zögerte nach seiner Wahl im Jahr 2009 nicht, Schlüsselpositionen in Staat und Regierung systematisch mit loyalen Kräften zu besetzen. Zuma berief einen neuen Polizeichef, einen neuen Generalstaatsanwalt, einen neuen Geheimdienstchef, einen neuen Chef der Sonderermittlungseinheit Hawks. Schon Tage vor seiner Wahl wurden die Ermittlungen wegen Korruption in über 700 Fällen in vorauseilendem Gehorsam eingestellt.

Die Deckung hielt lange, in diesem Jahr aber bröckelte sie. Da entschied das Verfassungsgericht zunächst, dass Zuma einen Teil der Steuergelder von 17 Millionen Euro zurückzahlen muss, die für den pompösen Ausbau seines Privatanwesens verwendet wurden. Und vor wenigen Wochen verdonnerte das Gericht die Staatsanwaltschaft dazu, die Korruptionsermittlungen gegen Zuma wieder aufzunehmen.

Machtverlustängste beim ANC

Der ANC, der das Parlament mit absoluter Mehrheit dominiert, stützte den Präsidenten bislang fast bedingungslos. Doch wegen der katastrophalen Amtsführung des Präsidenten befindet sich Südafrika seit Jahren am Rande einer Rezession, bei den Kommunalwahlen im August verlor der ANC die Metropolen Johannesburg, Pretoria und Port Elizabeth an die Opposition. Das Ende des Systems Zuma erscheint den Parteistrategen inzwischen als das kleinere Übel als der drohende Machtverlust bei den Wahlen im Jahr 2019.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Proteste gegen Zuma in Pretoria.
Außenpolitik

Südafrika: Tausende fordern Rücktritt von Präsident Zuma

Ein Untersuchungsbericht drängt auf Korruptionsermittlungen gegen das Staatsoberhaupt. Grund sind unter anderem die fragwürdigen Verbindungen des Präsidenten zur Industriellenfamilie Gupta.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.