Staatschefin Park gerät wegen der Beziehung zu einer angeblichen Sektenführerin massiv in Bedrängnis: Sie soll ihr Zugang zu Geldern und Geheimdokumente verschafft haben. Nun will die Staatsanwaltschaft ermitteln.
Seoul. „Schuldgefühle rauben mir den Schlaf.“ Mit gesenktem Haupt und sichtlich aufgewühlt sprach Südkoreas Staatschefin, Park Geun-hye, am Freitag über das Fernsehen an die Bevölkerung. Sie werde Ermittlungen zulassen und sich Fragen stellen, versicherte sie reuvoll. Aber zurücktreten – das werde sie nicht. Grund für dieses öffentliche Mea Culpa ist Parks zwielichtige Freundin: Am Montag wurde die langjährige Vertraute der Präsidentin, Choi Soon-sil, wegen Korruptionsverdachts festgenommen. Sie soll nicht nur in Regierungsgeschäfte mitgemischt, bei Personalfragen mitbestimmt und Einblick in Geheimdokumente gehabt haben. Sondern auch ihren Einfluss auf Park genutzt zu haben, um Spendengelder einzutreiben – und sich persönlich zu bereichern.
Nur fünf Prozent Zustimmung
Die Affäre hat den ostasiatischen Tigerstaat in eine seiner schwersten politischen Krisen seit Jahren gestürzt: Nahezu täglich gehen Demonstranten auf die Straße und fordern den Rücktritt der Präsidentin. Parks Zustimmungswerte sind mit fünf Prozent auf ein historisches Rekordtief gefallen. Wenig nutzte, dass die Staatschefin ihren Premier sowie mehrere Sekretäre austauschte: Das verstärkte nur den Eindruck, Verantwortung abwälzen zu wollen. Sollte die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden, wäre sie Südkoreas erstes Staatsoberhaupt, gegen das im Amt ermittelt wird.
Der Skandal reicht aber über Vetternwirtschaft und Amtsmissbrauch hinaus. Er wirft ein schlechtes Licht auf die obskuren Seilschaften der Präsidentin und ihrer konservative Saenuri-Partei – Verbindungen, die weit in die Vergangenheit zurückreichen, in die Zeiten von Parks Vater, dem autoritäre Staatschef Park Chung-hee. Denn Choi ist Tochter – und „spirituelle Erbin“ – eines Sektengründers. Dieser „Gesandte Gottes“ pflegte enge Beziehungen zum Diktator. Das Verhältnis wurde intensiver, als die Mutter der jetzigen Staatschefin bei einem Attentat ums Leben kam. Offenbar behauptete Choi und später seine Tochter, Kontakte zur Verstorbenen herstellen zu können.
Die Präsidentin bestritt vehement, Anhängerin einer Sekte zu sein und schamanistische Rituale in ihrem Amtssitz zelebriert zu haben. Sie habe sich in schwierige Zeiten an ihre Freundin gewandt, aber jetzt habe sie keinen Kontakt mehr zu ihr. Allerdings habe sie die Kontrolle über Choi verloren.
In Südkorea ist die Verunsicherung groß: Es besteht der Eindruck, das Land werde von einer obskuren Familie gelenkt. Diebisch freut sich der stalinistische Nachbar: Nordkoreas Propagandamaschine berichtet seit Tagen über nichts anderes als über das Land, „in dem Sektenführer das Sagen haben“. (basta.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)