Wo die US-Wahl entschieden wird

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Hält Clinton Florida und gewinnt sie North Carolina, wird die Wahlnacht nicht sehr lang dauern. Doch ihr Schutzwall gegen Trump bröckelt.

Washington. Um 19.30 Uhr US-Ostküstenzeit wird es am kommenden Dienstag spannend. Denn dann wird im Schlüsselstaat North Carolina das vorläufige Ergebnis der Präsidentschaftswahl verkündet. Eine halbe Stunde später werden Florida und Pennsylvania folgen, zwei weitere Battleground States. Von diesen drei Ergebnissen abhängend könnte mehr oder weniger klar sein, ob Hillary Clinton den Champagner bereits vor Mitternacht köpfen darf oder ob die Wahlnacht sich mit ungewissem Ende bis in die frühen Morgenstunden zieht.

Der Grund dafür liegt bei den komplizierten Berechnungen, deren Ergebnis jedoch einfach zusammengefasst ist: Wenn Donald Trump weder in Florida noch in North Carolina gewinnt, ist ihm der Weg ins Weiße Haus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit versperrt. Präsident Barack Obama gewann vor vier Jahren bei seinem 332:206-Sieg über Mitt Romney die 29Wahlmännerstimmen Floridas, Romney hingegen die 15 von North Carolina.

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Blieben die sonstigen Ergebnisse von 2012 gleich und gingen die beiden Schlüsselstaaten an Clinton, hieße das Ergebnis somit 347:191. Sie könnte dann selbst Niederlagen in den drei großen Schlüsselstaaten des Mittleren Westens, nämlich Ohio (18 Stimmen), Michigan (16) und Wisconsin (10) verschmerzen, die Obama im Jahr 2012 allesamt gewonnen hat, und trotzdem klar mit 303:235 die Nase vor Trump haben.

Verlöre Clinton in diesem Szenario jedoch auch Florida und North Carolina, stünde die Sache mit 274:264 auf Messers Schneide. Wie sich die Dinge entwickeln, wird vor allem von sechs Staaten abhängen.

Florida

Die Demografie spricht für Clinton: In den vergangenen vier Jahren haben sich im Sunshine State mehr als 900.000 Menschen neu in die Wahlverzeichnisse eintragen lassen – und fast zwei Drittel von ihnen waren hispanischer Herkunft. Bei ihnen liegt Clinton heuer noch weiter vor Trump, als Obama bei seiner Wiederwahl vor Romney gelegen ist.

Das bisherige Ergebnis der frühzeitig per Brief oder im Wahllokal abgegebenen Stimmen ist für die Demokraten ebenfalls ermutigend: In Summe haben zwar um 0,2 Prozent mehr registrierte Republikaner frühzeitig gewählt. Doch erstens ist ihr Vorsprung geringer als vor vier Jahren, und zweitens ist die Zahl der als keiner der beiden Parteien zugeordneten Frühwähler stark gestiegen. Sie machten heuer bisher knapp 20 Prozent aller Wähler aus. Von ihnen waren bisher 35 Prozent nicht weiß, sprich überwiegend hispanisch. Das war ein höherer Anteil als bei allen Frühwählern.

Die Erklärung dafür dürfte im starken Zuzug von Puerto Ricanern nach Florida liegen. Sie sind als US-Staatsbürger sofort wahlberechtigt, haben aber vermutlich oft noch keine Zeit gehabt, sich für eine der beiden Parteien einzutragen. Sie wählen jedoch mit großer Mehrheit demokratisch – und könnten Clinton den Sieg bringen.

Ohio

Dem „Buckeye State“ wird eine Orakelrolle angedichtet: Seit 1944 hat Ohio nur ein Mal für den Verlierer gestimmt (Richard Nixon, 1960). Obama gewann hier 2008 und 2012, 2004 besiegte Präsident George W. Bush jedoch John Kerry ebenso, wie er vier Jahre zuvor gegen Al Gore gewonnen hatte. Der Süden ist überwiegend weiß, ländlich und von jahrzehntelanger Strukturschwäche betroffen: klassisches Trumpland also.

In den 20 Wahlbezirken, in denen Kohlebergbau wirtschaftlich und emotional bedeutsam ist, wird Trump stark abschneiden. Clinton hofft, in den Städten des Nordens wie Cleveland, Cincinnati und Columbus hohe Vorsprünge herauszuholen. Bei den Frühwahlen haben Republikaner bisher mehr Stimmen abgegeben, in den Umfragen lag Trump zuletzt vor Clinton.

Pennsylvania

Der letzte Republikaner, der hier gewinnen konnte, war 1988 George H. W. Bush. Clinton lag zuletzt in allen Umfragen vor Trump. Doch wie ernst sie diesen Staat und seine 20 Wahlmännerstimmen nimmt, zeigen die Wahlkundgebungen von Präsident Obama und First Lady Michelle Obama, von Vizepräsident Joe Biden und zweimal Clinton selbst in der vergangenen Woche vor dem Wahltag. Pennsylvania hat keine Frühwahlen; die Mobilisierung der Anhänger am Wahltag ist folglich besonders wichtig.

Virginia

Der einst erzkonservative Südstaat ging 2008 und 2012 an Obama. Das liegt am starken Wachstum der gesellschaftlich durchmischten und wohlhabenden Bezirke im Norden bei Washington. Clinton führt in den Umfragen klar, die Frühwahlergebnisse zeigen starke Beteiligung in demokratischen Hochburgen sowie motivierte hispanische Wähler.

North Carolina

2008 gewann hier Obama, vier Jahre später Romney. Der republikanische Gouverneur Pat McCrory hat eine Kürzung der Wahllokale verfügt, in denen man frühzeitig wählen kann. Das trifft vor allem Schwarze, eine demokratische Kerngruppe. Eine gute Nachricht für Clinton: Bisher haben bereits 1.298.386 Frauen gewählt, um 12,4 Prozent mehr als vor vier Jahren. Die Zahl der Männer stieg nur um 10,7 Prozent auf 995.645. In Umfragen liegt sie bei den Frauen viel stärker vor Trump, als Obama vor Romney lag.

Nevada

Trump hat Clinton in den Umfragen zuletzt überholt – doch die Frühwahlen sprechen dafür, dass sie hier gewinnen dürfte. Sie hat hier einen Vorsprung von mehr als 60.000 wahrscheinlichen Stimmen aufgebaut. Die Tagesergebnisse waren zuletzt fast gleich hoch wie jene Obamas vor vier Jahren, als er mit rund sechs Punkten Vorsprung gewann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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