Republik Moldau: Eine Stichwahl zwischen Russland und der EU

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MOLDOVA-POLITICS-VOTEAPA/AFP/DANIEL MIHAILESCU
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Trotz EU-Assoziation droht sich die Ex-Sowjetrepublik bei der Präsidentenwahl am Sonntag wieder an Moskau zu lehnen. Die proeuropäische Kandidatin Maia Sandu versucht mit aller Kraft, Wähler zu mobilisieren.

Warschau/Chişinau. Drei Tage vor der Stichwahl über das Präsidentenamt in der Republik Moldau liegen die Nerven blank. „Wir rufen die Wahl-Generalmobilmachung aus“, sagte Maia Sandu am Donnerstag. Die proeuropäische Präsidentschaftskandidatin rief ihre Anhänger dazu auf, alle Freunde und Verwandten zur Teilnahme an dem Urnengang zu bewegen. „Wir müssen mobil machen und dem schon viel zu lange regierenden Mafia-Clan den Garaus machen!“, sagte die Sauberfrau-Kandidatin von sechs außerparlamentarischen Parteien.

Ruhe bewahrt stattdessen der prorussische Präsidentschaftskandidat, Igor Dodon, ein einstiges KP-Mitglied. Sandu habe die Machenschaften der korrupten Regierung unterstützt, wiederholt er einzig und verspricht soziale Gerechtigkeit und Freundschaft mit Russland.

Dodon ist daran gelegen, dass bei der Stichwahl am Sonntag wieder ähnlich wenige Bürger an die Urnen gehen wie bei der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen. Damals hatte der linkspopulistische Sowjetnostalgiker bei einer Wahlbeteiligung von nur 49 Prozent den Sieg knapp verpasst.

Trotz des Rückzugs des Regierungskandidaten Marian Lupu, ebenfalls ein ehemaliger KP-Politiker, kam Dodon nur auf 48 Prozent. Mit überraschend starken 38 Prozent konnte Sandu praktisch ohne Geld für den Wahlkampf eine zweite Runde erzwingen. Nun aber kann Sandu nur die Mobilisierung neuer Wählerschichten retten. Denn auf dem dritten Platz landete vor zwei Wochen mit Dumitru Ciubaşenco ebenfalls ein prorussischer Politiker. Springen seine Wähler zu Dodon über, so hat dieser das Präsidentenamt bereits in der Tasche.

Referendum über EU-Vertrag

Das Amt ist in der Republik Moldau nicht unwichtig, denn der Staatschef kann den Obersten Staatsanwalt bestimmen und mit einem Veto den Premierminister verhindern. Beide Ämter befinden sich im Moment im Einflussbereich von Vladimir Plahotniuc, dem wichtigsten Oligarchen des Landes und Vize-Vorsitzenden der regierenden Demokratischen Partei.

Die Stichwahl findet im Schatten eines bisher ungeklärten Bankenskandals statt, bei dem Ende 2014 eine Milliarde Dollar spurlos über Transferkonten in Russland und Lettland verschwunden ist. Die formell proeuropäische Regierung hat bisher wenig Anstalten gemacht, den Fall aufzuklären. Dodon beschuldigte in dem schmutzigen Wahlkampf Sandu immer wieder der Mittäterschaft, weil sie damals Bildungsministerin gewesen sei. Sandu indes hatte sich aus dem Kabinett zurückgezogen und mit der Bürgerbewegung Wahrheit und Würde monatelang für Aufklärung und Neuwahlen demonstriert.

Viele Moldauer haben inzwischen den Glauben an Politik und Demokratie verloren – ein explosives Gemisch, das prorussische Populisten wie Dodon an die Macht zu bringen droht. Die Zustimmung für eine EU-Integration ist von über 50 auf 40 Prozent gesunken. „Sobald ich Präsident bin, gibt es ein Referendum über den EU-Assoziierungsvertrag“, verspricht Dodon.

KANDIDATEN


Maia Sandu (44)

ist Ökonomin und war von 2012–2015 Bildungsministerin. Die proeuropäische Kandidatin kam in Runde 1 auf Platz 2.

Igor Dodon (41)

ist Chef der Sozialisten. Der prorussische Kandidat verspricht Annähe-rung an Moskau und Wohlstand. [ AFP 2x ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2016)

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