Abschiedstour: Obama muss Europäern Trump erklären

Obama vor der Air Force One.
Obama vor der Air Force One.REUTERS
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Der scheidende US-Präsident versucht bei seiner letzten Auslandsreise in Athen und Berlin zu beschwichtigen: Trump werde nicht ideologisch, sondern pragmatisch regieren.

US-Präsident Barack Obama ließ in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit aus, den republikanischen Kandidaten Donald Trump als unfähig für das Präsidentenamt zu brandmarken. Nach dem unerwarteten Wahlsieg des rechtspopulistischen Milliardärs reist Obama zu verunsicherten Verbündeten in Europa, die sich um die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft und die Entwicklung in den USA sorgen.

Historische Allianzen wie die NATO, das Klima-Abkommen von Paris, das Iran-Abkommen - Trump stellte während seines rabiat geführten Wahlkampfs dies alles infrage. Mit Unbehagen betrachtet die EU auch sein Verhältnis zu autoritär auftretenden Staatschefs wie Wladimir Putin in Russland und Recep Tayyip Erdogan in der Türkei.

Umso größere Bedeutung haben Obamas Auftritte bei seinem Abschiedsbesuch in Europa. Am Dienstag reist er an die Wiege der Demokratie nach Athen, wo er am Mittwoch vor dem Parthenon-Tempel auf der Akropolis seine einzige Rede halten wird. Nach Angaben seiner Berater will er dabei seine Ideen zu den Herausforderungen der Globalisierung und vor allem den Gründen darlegen, warum so viele Menschen weltweit "glauben, keine Kontrolle über die Entscheidungen zu haben".

Symbolträchtiger Besuch in Berlin

Anschließend kommt Obama für zwei Tage nach Berlin, wo er 2008 einst als Präsidentschaftskandidat von Zehntausenden Menschen euphorisch gefeiert worden war. Nicht zuletzt die Spähaffäre um den US-Geheimdienst NSA sorgte dafür, dass die Begeisterung der Deutschen für den ersten afroamerikanischen Staatschef der Vereinigten Staaten abkühlte, doch angesichts von Trumps Einzug ins Weißen Haus macht sich viel Wehmut breit.

Obama wird am Donnerstag von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen, ehe am Freitag mit anderen europäischen Staatsspitzen zusammentreffen wird. Obamas sechster Deutschland-Besuch als Präsident ist sein wohl symbolträchtigster. "Der Begriff 'Anführer der freien Welt' wird gewöhnlich für den Präsidenten der Vereinigten Staaten verwendet, und das selten ohne Ironie. Ich bin versucht zu sagen, dass die Anführerin der freien Welt heute Angela Merkel ist", kommentiert der britische Historiker Timothy Garton Ash im "Guardian". "Die Wahl von Donald Trump macht aus Angela Merkel die letzte Verteidigerin der humanistischen Werte des Westens", befindet auch die "New York Times".

Obama: Trump bekennt sich zu Nato

Schon vor seiner Reise versuchte Obama seinen Nato-Partnern, die Angst vor seinem Nachfolger zu nehmen. "In meinen Gesprächen mit dem designierten Präsidenten hat er ein großes Interesse gezeigt, den Kern unserer strategischen Beziehungen zu erhalten", sagte der scheidende Präsident. "Eine der Botschaften, die ich überbringen kann, ist sein Bekenntnis zur Nato und der transatlantischen Allianz." Amerika stehe auch künftig für eine starke und robuste Nato ein. Diese Allianzen seien nicht nur gut für Europa, sie seien auch gut für die USA und entscheidend für die Welt. 

Trump werde nach seinem Amtsantritt am 20. Januar schnell spüren, welche Verantwortung auf dem amerikanischen Präsidenten lastet. "Dieses Amt hat eine Art, dich aufzuwecken", sagte Obama. "Ich glaube nicht, dass er ideologisch ist. Ich denke, letzten Endes ist er pragmatisch", sagte er über den 70-Jährigen. Er mahnte aber auch: "Es gibt bestimmte Teile seines Naturells, die ihm nicht gut tun werden, solange er sie nicht anerkennt und korrigiert". Er warnte vor den weitreichenden Konsequenzen, die Äußerungen eines US-Präsidenten haben können. Den Aussagen des US-Präsidenten würde weltweit Beachtung geschenkt.

Die Kernpunkte auf Obamas Agenda

ATOMPOLITIK: Die internationale Gemeinschaft kämpfte jahrelang darum, den Iran in ein bindendes Atomabkommen zu integrieren. 2015 war es endlich soweit, der Westen jubelte, Israel nicht. Donald Trump hatte angekündigt, das Abkommen, das dem Iran die zivile Nutzung der Atomkraft unter strengen Kontrollen des Westens sichert, rückgängig machen zu wollen. China, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben ebenfalls unterschrieben. Ein Alleingang Trumps könnte alles zunichte machen.

KLIMASCHUTZ: Die US-Republikaner sind die einzige größere politische Kraft des Westens, die einen vom Menschen verursachten Klimawandel leugnen. Donald Trump ist in seiner Partei keine Ausnahme. Er hat angedroht, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, das rund 200 Länder unterzeichnet und mehr als 70 bereits ratifiziert haben und das auch bereits in Kraft gesetzt ist, ausscheren oder zumindest nachverhandeln zu wollen. Politisch ist dagegen von außen schwer vorzugehen. Trump könnte mit seiner Energiepolitik pro Kohle und Öl die vereinbarten Emissionsziele schlicht mutwillig verfehlen, ohne diplomatisch überhaupt tätig zu werden.

WIRTSCHAFT UND FINANZEN: Die Finanzstabilität Griechenlands gehört zu den Hauptzielen von Obamas Reise. Er steht aufseiten des Internationalen Währungsfonds und vertritt die Ansicht, Griechenland brauche neben wirtschaftlichen Reformen auch Entlastung von seinen Schulden, um nachhaltig wieder auf die Beine zu kommen. Die Bundesregierung sieht das völlig anders. Das griechische Problem seien nicht die Schulden, hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble mehrfach betont. Der Dauerstreit könnte auch in Berlin auf den Tisch kommen. Insgesamt will Trump das untermauern, was international als Mainstream gilt: Die Globalisierung ist nicht optimal, sie muss fortentwickelt werden - aber sie wird sicher nicht rückgängig zu machen sein.

TERRORBEKÄMPFUNG: Der scheidende US-Präsident will bei der Terrorismusbekämpfung noch einmal mit seinen wichtigsten Partnern Pflöcke einschlagen. Das gilt für die Abwehr von Gefahren auf eigenem Terrain wie auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Im Irak schreitet die Anti-IS-Koalition gerade in der IS-Hochburg Mossul voran. Die Terrorabwehr mit Hilfe der geheimdienstlichen Verarbeitung von Online-Daten war einer der großen Streitpunkte in Obamas Amtszeit mit Deutschland. "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht", hatte Merkel 2013 erklärt. Die Positionen sind inzwischen nicht mehr so verhärtet.

NATO: Donald Trump hat wiederholt die Beziehungen der Vereinigten Staaten zur NATO infrage gestellt. Tenor: Die USA sind so stark, die brauchen keine NATO. Obama versucht, dies schon vor seiner Abreise nach Europa wieder abzuräumen. Trump habe ihm versichert, dass er großes Interesse habe, die strategischen Kernbeziehungen aufrechtzuerhalten. Die führenden Staatsleute Europas werden möglicherweise noch ein paar tiefergehende Fragen an Obama zum Thema haben.

(APA/dpa/Reuters/AFP/Jerome Cartiller, Yacine Le Forestier/Michael Donhauser)

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