Obamas letzte Botschaft an Europa

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US-Präsident Barack Obama hielt in Athen ein Plädoyer für Demokratie und eine offene Gesellschaft - und stärkte Griechenland in der Schuldenfrage den Rücken.

Athen. Es ist sein letzter Besuch Europas als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Und Barack Obama wählte Griechenland als eine der Stationen auch deswegen, um in Athen, der symbolträchtigen Geburtsstätte der Demokratie, eine Grundsatzrede über die Stärke der demokratischen Ordnung zu halten. Der Wahlsieg Donald Trumps bei der US-Präsidentenwahl vergangene Woche hatte ihm offenbar zusätzlich Stoff zum Nachdenken gegeben. Und so nahmen die politischen Folgen der Globalisierung wichtigen Raum in Obamas Rede ein. Das verlieh ihr den Charakter eines politischen Vermächtnisses in einer von Unsicherheit geprägten Übergangszeit.

Eine freudige Überraschung für die Gastgeber: Obamas fast enthusiastischer Philhellenismus und seine vorbehaltlose Unterstützung Athens in der Schuldenfrage.

Bereits am Dienstag war Obama in Athen eingetroffen und hatte den offiziellen Teil des Staatsbesuchs absolviert: Er besuchte Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos, führte ein Gespräch mit Griechenlands Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, am Abend gab es ein Galadiner. Am Mittwoch besuchte der US-Präsident dann sportlich bekleidet und in bester Laune die Akropolis – und erfüllte sich damit angeblich einen Jugendtraum.

Nach einem Besuch im Akropolismuseum hielt er im neu errichteten Kongresszentrum der Stiftung Niarchos seine mit Spannung erwartete Rede. Bereits am Dienstag hatte der 44. US-Präsident bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Griechenlands Premier Tsipras für seine Absage an nationalistische, isolationistische Tendenzen deutliche Worte gefunden: Er sagte, man müsse auf der Hut sein vor dem Aufkommen eines „rüden Nationalismus“ und „Tribalismus“, die die Welt in ein „wir“ und in ein „die anderen“ teilten. Er machte auch kein Hehl daraus, dass seiner Auffassung nach der neu gewählte US-Präsident bewusst mit diesen Tendenzen gespielt habe, um bei der Wahl zu siegen.

In seiner Rede am Mittwoch stellte Obama dann fest: „Trump und ich könnten nicht verschiedener sein.“ Doch das hindere ihn nicht daran, alles zu tun, um für eine geordnete und friedliche Amtsübergabe zu sorgen, denn „die Demokratie ist größer als Einzelpersonen“. Fast beschwörend strich er die Wichtigkeit einer Politik gegen den Klimawandel hervor und betonte die Rolle der Solidarität der USA gegenüber ihren Partnern etwa in der Nato – in beiden Fällen hatte Trump im Wahlkampf Abstriche von der bisherigen außenpolitischen Linie der Administration Obama anklingen lassen.

Rechenschaft für seine Amtszeit

Ausführlich beschäftigte sich Obama mit den möglichen Verbindungen der Globalisierung zu den neuen nationalistischen, isolationistischen Bewegungen. Er plädierte dafür, die Sorgen der Globalisierungsverlierer ernst zu nehmen: Die Gewinne der modernen Wirtschaft müssten gerechter verteilt werden, der Bevölkerung müsse das Gefühl gegeben werden, mitbestimmen zu dürfen.

Aus diesem Blickwinkel legte er Rechenschaft über seine achtjährige Amtszeit ab: Er habe versucht, die Infrastruktur in Amerika zu verbessern, das Gesundheits- und das Bildungssystem zu reformieren und Anreize für Wirtschaftswachstum zu geben. Die US-Wirtschaft habe sich wieder stabilisiert, doch es hätten nicht genügend Menschen davon profitieren können. Die Wahlniederlage seiner demokratischen Partei bei der Präsidentschaftswahl habe sicherlich mit dem unbestimmten Gefühl der Menschen zu tun, dass es „Zeit für einen Wechsel“ sei.

Obama meinte, dass „Sparen allein kein Wachstum bringt“. Griechenland habe harte, aber notwendige Strukturreformen durchgemacht, erklärte er. Doch die Welt erkenne nicht genügend an, wie sehr Griechenland in den vergangenen Jahren dafür auch gelitten habe. Man müsse dem Land in der Schuldenfrage nun entgegenkommen, etwa, um der frustrierten Jugend eine Zukunftsperspektive zu geben.

Eine wichtige Rolle in Obamas Plädoyer für eine offene, von Vielfalt geprägte Gesellschaft spielte die Flüchtlingsfrage. Auch hier strich er die Rolle des Gastgeberlandes Griechenland hervor, das trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Jahr 2015 die Bootsflüchtlinge in der Ägäis mit Humanität empfangen habe. Man dürfe das Land mit dem Flüchtlingsproblem nicht allein lassen.

Athen hofft auf Treffen Obama-Merkel

Mittwochnachmittag brach der US-Präsident dann Richtung Berlin auf. Premier Tsipras hofft, dass er dort ebenso nachdrücklich für einen Schuldennachlass eintritt wie in Athen. Die griechische Regierung will noch vor dem Amtsantritt Donald Trumps im Jänner Zugeständnisse von den europäischen Partnern für kurzfristige Maßnahmen zur Erleichterung der Schuldenlast – zurzeit liegt sie bei 180 Prozent der Wirtschaftsleistung – erreichen.

Griechenland, so Regierungschef Tsipras, habe seinen Teil der Vereinbarungen gehalten: Das Budget sei ausgeglichen, die erste Überprüfung des dritten Rettungspaketes abgeschlossen; sogar ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent für das dritte Quartal 2016 wurde dieser Woche von der statistischen Behörde vermeldet. Nun sei es an der Zeit, dass die europäischen Partner ihre Versprechen vom Mai, betreffend konkrete Maßnahmen zur Schuldenerleichterung, wahr machten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

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