Syrien: Aleppos Rebellenviertel liegen unter Dauerbeschuss

(c) APA/AFP/THAER MOHAMMED
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Das Assad-Regime und Moskau wollen rund um den Wechsel im Weißen Haus militärische Fakten schaffen.

Kairo. Die Lage in dem von Rebellen kontrollierten Osten der syrischen Stadt Aleppo wird immer prekärer. Rund um die Uhr schlagen Bomben und Raketen ein. In Todesangst kauern die Menschen in ihren Wohnungen. Kein Winkel in dem von Assad-Truppen eingeschlossenen Ostteil, in dem immer noch 250.000 Einwohner ausharren, ist mehr sicher. Seit dem Wochenende sind nun auch sämtliche Krankenhäuser zerstört. Als letztes traf es das einzige Kinderhospital. „Es ist ein Inferno, sie wollen Aleppo ausradieren“, sagte einer der überlebenden Ärzte. Videobilder eines al-Jazeera-Reporters zeigen, wie zwei Schwestern in dichtem Explosionsstaub Frühgeborene aus den Inkubatoren bergen und mit den Kleinen im Arm in Tränen ausbrechen. Verletzte wissen nicht mehr, wohin, Operationen sind unmöglich geworden, in den belagerten Vierteln Aleppos arbeiten nur noch 29 Ärzte. „In all den Jahren habe ich noch nie solche schrecklichen Bilder gesehen von Verletzungen, von Menschen auf den Fluren der Notaufnahme, Tote und Lebende Seite an Seite“, erklärte dem „Guardian“ der britische Kriegschirurg David Nott, der selbst in Aleppo operierte.

„Diese Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur lässt die eingeschlossenen Menschen, darunter Kinder und alte Männer und Frauen, ohne jede medizinische Hilfe und überlässt sie dem Tod“, klagte die örtliche Gesundheitsbehörde in Aleppo in einem schriftlichen Notruf an die Welt.

Obama ist „nicht optimistisch“

Er sei, was die kurzfristigen Aussichten für Syrien betrifft, „nicht optimistisch“, sagte der scheidende US-Präsident, Barack Obama, nach einem Gespräch mit Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, am Rande des Gipfels der Pazifikanrainerstaaten (Apec) in Perus Hauptstadt Lima. In der etwa vierminütigen Unterredung war es um die Konflikte in Syrien und der Ukraine gegangen.

UN-Syrienvermittler Staffan de Mistura schlug bei einem Treffen mit Syriens Außenminister, Walid al-Moallem, vor, alle jihadistischen Kämpfer aus Aleppo hinaus zu eskortieren und dann den moderaten Aufständischen eine Art Selbstverwaltung zu gewähren – eine Idee, die das Regime ablehnt. „Wie kann es sein, dass die UN Terroristen belohnen wollen?“, empörte sich al-Moallem, dessen Regime alle Gegner ausnahmslos als Terroristen diffamiert. Keine Regierung der Welt würde sich auf so etwas einlassen.

Russland und das Assad-Regime hatten Ende Oktober in der Schlussphase des US-Präsidentenwahlkampfes eine einseitige Feuerpause erklärt. Eine Woche nach dem Wahltag nahmen sie ihre Luftangriffe wieder auf – brutaler denn je. Sie kalkulieren, dass durch den Wechsel im Weißen Haus und an der Spitze der UNO sämtliche politischen Initiativen zu Syrien bis Frühjahr auf Eis liegen, so dass sie in den kommenden drei Monaten auf dem Schlachtfeld Fakten schaffen können. Vor allem eine Rückeroberung Aleppos könnte die Schlagkraft der Rebellen entscheidend schwächen.

Ban übergibt an Guterres

Bei Donald Trump, der die Syrienpolitik seines Vorgängers Obama im Wahlkampf scharf kritisiert hat, fehlen bisher die Konturen einer eigenen Nahoststrategie. Auch der scheidende UN-Generalsekretär, Ban Ki-moon, wird nach Ansicht westlicher Diplomaten auf keine neuen Friedensverhandlungen mehr drängen, sondern dies seinem Nachfolger, António Guterres, überlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2016)

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