Deutsche Arbeitsministerin will Acht-Stunden-Tag aufweichen

Andrea Nahles hat Vorschläge für "Arbeiten 4.0".
Andrea Nahles hat Vorschläge für "Arbeiten 4.0".(c) APA/AFP/dpa/KAY NIETFELD (KAY NIETFELD)
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Die Digitalisierung mache es möglich: Andrea Nahles will "starre Strukturen" aufweichen. Die Arbeitgeber sehen schon neue Kosten auf sich zukommen.

Eine Lockerung der Arbeitszeit als Antwort auf die fortschreitende Digitalisierung. Wenn es nach der deutschen Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geht, sollen Arbeitnehmer künftig Auszeiten nehmen und Weiterbildungen aus Steuermitteln finanziert werden können. Während Arbeitgeber überwiegend skeptisch reagierten, forderten die Gewerkschaften rasche Schritte. Gemischte Reaktionen kamen vom Koalitionspartner CDU.

"Wir haben die Chance auf einen Jahrhundert-Fortschritt, der allen nutzt", sagte Nahles am Dienstag in Berlin. "Starre Strukturen und Hierarchien des Industriealters weichen auf". Erstmals präsentierte sie ihre überwiegend bekannten Vorschläge für "Arbeiten 4.0" detailliert nach Abschluss eines monatelangen Diskussionsprozesses mit Experten und Verbänden. Ein neues "Weißbuch" versammelt die Vorstöße.

"Wahlarbeitszeit-Gesetz"

In einer zweijährigen Probephase will Nahles nun Arbeitgebern und Gewerkschaften zunächst mehr Flexibilität gestatten, als es das Arbeitszeitgesetz vorsieht. "Es muss nicht immer der Acht-Stunden-Tag sein, aber als Norm bleibt er wichtig." Über die Arbeitszeit solle in Betrieben verhandelt werden. Ein "Wahlarbeitszeit-Gesetz" solle einen neuen Rahmen setzen. Bei klaren Grenzen für die maximale Länge der Arbeitszeit und Ruhezeiten müsse es bleiben. Mehrarbeit müsse rascher ausgeglichen werden.

Ein Gesetz, das Arbeitnehmern ein Recht auf die Rückkehr in Vollzeit aus Teilzeit geben soll, habe sie bereits in die Abstimmung innerhalb der Regierung geleitet, sagte Nahles.

Die Ministerin kündigte einen Vorstoß für neue staatliche Mittel für Berufsanfänger an. "Alle Bürger sollten beim Start ins Arbeitsleben ein persönliches Erwerbstätigenkonto mit Startguthaben erhalten." Einkommensausfälle bei Weiterbildung, Existenzgründung, Teilzeitphasen oder Auszeiten sollten so kompensiert werden.

Die Bundesagentur für Arbeit solle alle Beschäftigten bei der Qualifizierung beraten, so Nahles. Die Arbeitslosenversicherung solle zur Arbeitsversicherung ausgebaut werden. "Mein Ziel ist am Ende ein Recht auf Weiterbildung." Selbstständige sollten eine Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung erhalten.

Arbeitgeber fürchten Belastung

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warnte vor neuen finanziellen Belastungen. So habe Nahles nicht gesagt, woher das Geld für ein Erwerbstätigenkonto kommen solle. Verdi-Chef Frank Bsirske forderte, dieses Instrument unverzüglich zu schaffen. Nötig sei dafür ein "Abschöpfen der Digitalisierungsrendite" - also mehr Steuergeld. Auch eine öffentliche Bildungsoffensive sei nötig.

"Einen politischen Ruck für zügige Reformen" forderte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Tarifbindung müsse ausgebaut, ein Recht auf Weiterbildung geschaffen werden. Gesamtmetall warnte die Gewerkschaften davor, alte Forderungen durchsetzen zu wollen. "Das wird krachend scheitern", so ein Sprecher.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist gut, wenn die Tarifpartner die Flexibilität bekommen, die Arbeitszeit anzupassen."

Der CDU-Arbeitsmarktpolitiker Kai Whittaker warf Nahles vor, Millionen Arbeitnehmer weiter in der Illegalität arbeiten zu lassen. "Wer in Deutschland abends noch Homeoffice betreibt, verstößt am nächsten Morgen gegen das Arbeitszeitgesetz. Für Frau Nahles ist die Digitalisierung immer noch Neuland."

(APA/dpa)

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