Verkehrsminister Leichtfried bat seinen deutschen Amtskollegen um Aussprache. Ein CSU-Politiker drohte seinen ÖVP-Kollegen mit „Vergeltung“ für einen Antrag.
Wien. Die Einwände aus Österreich gegen die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland haben bilaterale Spannungen ausgelöst. Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) hat, wie der „Presse“ am Montag aus seinem Büro bestätigt wurde, deshalb um eine Aussprache mit seinem deutschen Amtskollegen, Alexander Dobrindt (CSU), gebeten. Einen Termin gab es vorerst noch nicht.
Der Konflikt um die Einführung einer Maut, die ausschließlich von ausländischen Autofahrern bezahlt werden soll, eskalierte zuletzt gleich auf mehreren Ebenen. Nachdem die EU-Kommission mit der deutschen Regierung einen Kompromiss ausgehandelt hatte, protestierten die österreichische und die niederländische Regierung erneut gegen die Einführung.
Leichtfried sieht die systematische Diskriminierung von EU-Bürgern nicht ausgeräumt. Während Österreich und andere EU-Länder nämlich sowohl für In- als auch für Ausländer denselben Betrag für eine Straßenbenützung einheben, würde deutschen Autofahrern die Maut gestaffelt nach der Umweltfreundlichkeit ihrer Fahrzeuge zur Gänze oder sogar darüber hinaus zurückerstattet werden. Sobald der konkrete Gesetzestext vorliegt, will das österreichische Verkehrsministerium deshalb eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) prüfen. An dieser könnten sich auch Belgien, Niederlande und Polen beteiligten.
Dobrindt wirft Österreichs Regierung vor, im Mautkonflikt „ausschließlich aus nationalen Interessen“ zu handeln. „Wer nach Österreich kommt, soll zahlen, aber Österreicher sollen in Deutschland kostenlos fahren dürfen“, so der CSU-Politiker. Dobrindt argumentiert, dass österreichische Autofahrer die heimische Maut durch eine höhere Pendlerpauschale ebenfalls rückerstattet bekämen. Freilich profitiert von diesem Pauschale lediglich ein kleiner Teil der heimischen Autofahrer.
Kern spricht von "Belastungstest"
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hatte in einem Interview mit „Bild am Sonntag“ von einem „Belastungstest für die guten deutsch-österreichischen Beziehungen“ gesprochen. „Bei uns zahlt die Maut jeder, unabhängig von seiner Geburtsurkunde. Da gibt es keine Ermäßigung oder gar Rückerstattung für Österreicher.“ Dobrindt regagierte verärgert: Kern irre sich. „Dieses Denken ist nicht europäisch und auch nicht angemessen.“
Der deutsche Verkehrsminister hat allerdings die für 21. Dezember vorgesehene Vorlage des Gesetzes aufgeschoben. Der Text soll nun bis Jänner juristisch wasserdicht gemacht und dann von der Bundesregierung in Berlin absegnen werden. Dobrindt versucht mit der Gesetzesvorlage nach wie vor das Wahlversprechen seiner bayerischen CSU einzulösen. Sie hatte sich darauf festgelegt, eine Pkw-Maut einzuführen, die ausschließlich von ausländischen Straßenbenützern bezahlt werden soll.
Wie sehr gerade in der CSU die Nerven blank liegen, wurde im Europaparlament deutlich. Dort haben 40 Abgeordnete aus zehn Mitgliedstaaten einen Antrag eingebracht, die zuständige EU-Kommissarin zu einer Aussprache zu laden. „Wir wollen, dass EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc öffentlich Rede und Antwort steht. Dobrindts Hinterzimmerdeal ist inakzeptabel und wird vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Bestand haben“, zeigten sich die beteiligten Abgeordneten überzeugt. Auch sie argumentieren ähnlich wie Verkehrsminister Leichtfried, dass eine Refundierung der Maut für deutsche Autofahrer eine Diskriminierung darstelle. Der Antrag wurde unter anderem von der ÖVP-Europaabgeordneten Claudia Schmidt initiiert und von allen ÖVP-Europaabgeordneten unterzeichnet.
Schmidts CSU-Kollegen Markus Ferber kündigte daraufhin in der Fraktionssitzung der Europäischen Volkspartei (EVP) „Vergeltung“ an. Er werde im Gegenzug auch die österreichische Maut, gegen die einst die bayrische Regierung heftig protestiert hat, ins Visier zu nehmen. „Dann mache ich eure Maut in Österreich kaputt“, soll sich der aufgebrachte CSU-Politiker vor Fraktionskollegen echauffiert haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)