Rebellen einigen sich mit Regime auf Abzug aus Ost-Aleppo

Ein Bild aus einem von den Regierungstruppen zurückerobertes Viertel von Aleppo.
Ein Bild aus einem von den Regierungstruppen zurückerobertes Viertel von Aleppo.(c) APA/AFP/GEORGE OURFALIAN (GEORGE OURFALIAN)
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Ost-Aleppo wird nach Angaben der wichtigsten Aufständischen-Gruppe noch heute komplett evakuiert.

Das Gebiet der Rebellen in der umkämpften Großstadt Aleppo wird nach Angaben der wichtigsten Aufständischen-Gruppe in Kürze vollständig evakuiert. "Jeder" werde Ost-Aleppo noch in der Nacht verlassen, teilte ein Sprecher der Gruppe Ahrar al-Sham am Dienstag mit. Zuvor hatten sich Rebellen in Ost-Aleppo nach eigenen Angaben mit dem syrischen Regime auf einen Abzug aus der Stadt geeinigt. Zivilisten und einige Kämpfer dürften die Rebellengebiete verlassen, sagte ein Sprecher einer Rebellengruppe der dpa. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin bestätigte die Einigung über den Abzug. Nach meinen Informationen hat es tatsächlich eine Einigung gegeben, dass die Kämpfer die Stadt verlassen. Das ist also fast das Ende", sagte Tschurkin der Agentur Tass.

Am Dienstag wurden Vorwürfe gegen die syrische Regierungstruppen und ihre Verbündeten laut. Diese haben nach Angaben der Vereinten Nationen in den vergangenen Tagen mindestens 82 Zivilisten im Ostteil Aleppos getötet. Darunter seien elf Frauen und 13 Kinder aus vier verschiedenen Bezirken des bisher von Rebellen gehaltenen Ostteils der Stadt, sagte der Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Dienstag in Genf.

Das UNO-Büro könne sich auf glaubwürdige Informationen von vor Ort berufen, die meisten Opfer seien "wahrscheinlich in den vergangenen 48 Stunden" getötet worden. Der Sprecher zeichnete ein düsteres Bild der Lage in Aleppo. Es sehe dort nach einem "völligen Zusammenbruch der Menschlichkeit" aus. Für jene Menschen, die noch im "höllischen Viertel" der Stadt gefangen seien, habe man "düstere Vorahnungen".

Die Türkei und Russland wollten indes über die Einrichtung eines Korridors zur Evakuierung von Kämpfern und Zivilisten aus der Rebellen-Enklave in Aleppo verhandeln. Vertreter der Türkei und Russlands würden sich deswegen am Mittwoch treffen, kündigte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Dienstag an. Der Fall der Rebellen-Enklave im Osten Aleppos steht nach syrischen Militärangaben unmittelbar bevor. Russland unterstützt die Armee bei dem umstrittenen Einsatz.

Wohin soll geflüchtet werden dürfen?

Ein Vertreter der Rebellengruppe Fastakim erklärte am Dienstag, es gebe keine internationalen Kontakte, um einen freien Abzug von Kämpfern und Zivilisten in die Wege zu leiten. Russland hatte bereits früher erklärt, den Aufständischen werde die Flucht aus Aleppo über einen sicheren Weg aus der Stadt angeboten. Allerdings hatten sich die Kriegsparteien in der Millionen-Metropole nicht auf die Modalitäten einigen können. Gestritten wurde unter anderem darüber, wohin der Korridor führen sollte.

Der Grüne Europaabgeordnete Michel Reimon rief unterdessen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) dazu auf, den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu zu drängen, Hilfskonvois und medizinische Hilfe für die Menschen in Aleppo zuzulassen. "Aleppo darf nicht Srebrenica werden", schrieb Reimon. Seiner Ansicht nach erzeugen der syrische Machthaber Bashar al-Assad und Putin "genau jene Flüchtlingssituation, vor der sich Kurz abschotten will".

Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) drückte in einem Posting auf Facebook seine  Sorge aus: "Was wir derzeit über Aleppo hören, lässt uns fassungslos zurück. Die Lage ist katastrophal, laut UNO wurden in den vergangenen Tagen dutzende Zivilisten von Regimetruppen getötet. Ein völliger Zusammenbruch der Menschlichkeit. Diese Gräueltaten verurteile ich aufs Schärfste!"

Merkel und Hollande appellieren an Russland

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande haben vom kommenden EU-Gipfel ein klares Signal für die Unterstützung der notleidenden Menschen im syrischen Aleppo gefordert. "Die Situation ist desaströs. Sie bricht einem das Herz", sagte Merkel am Dienstag in Berlin.

Es müsse auf allen Ebenen dafür gesorgt werden, dass die Zivilbevölkerung geschützt und humanitäre Unterstützung möglich werde. Der Appell richte sich an das syrische Regime, aber auch an seine Unterstützer Russland und Iran.

Hollande forderte, alles zu unternehmen, um die Zivilbevölkerung aus dem Osten Aleppos in Sicherheit zu bringen und humanitäre Korridore zu schaffen. Er warf Russland vor, im Sicherheitsrat jeden Fortschritt zu blockieren. "Ohne die Russen kein syrisches Regime", sagte er.

(APA/AFP/Reuters)

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